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Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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den Garten seines Landhauses sorgsam pflegte und eine gewisse Verachtung für Toms leichtes Leben hegte, doch seine kleinen kränkenden Spitzen prallten an Tom einfach ab. Und Héloïse bemerkte sie nicht einmal alle, dachte er. »Der alte Puritaner«, fuhr er fort. »Amerika vor dreihundert Jahren, da gehört er hin. Mir ist einfach nach einem Abend zu Hause. Über die Grais höre ich genugvon den Leuten im Ort.« Antoine Grais stand politisch rechts und war zu hochnäsig, um sich jemals mit einer France-Dimanche erwischen zu lassen, doch dabei genau der Typ, der in einem Café verstohlen bei jemand anders mitlas. Daß Antoine den Jungen als Frank Pierson identifizierte, war das letzte, was Tom wollte. Antoine und seine Frau Agnès, die weniger spießig war als ihr Mann, wenn auch nicht viel weniger, würden es niemals für sich behalten. »Soll ich sie anrufen, chérie ?« fragte Tom.
    »Nein, ich geh einfach allein hin.« Héloïse polierte weiter ihren Tisch.
    »Sag, ich hätte Besuch – einer meiner furchtbaren Freunde. Jemand, der nicht gesellschaftsfähig ist.« Tom wußte, daß Antoine auch sein gesellschaftlicher Umgang suspekt war. Wen hatte der Mann noch einmal zufällig kennengelernt? Ach ja, Bernard Tufts, das Genie, oft ungepflegt und nicht selten zu verträumt für Höflichkeiten.
    »Ich finde Billy ganz nett«, sagte Héloïse. »Und ich weiß, daß du dir um ihn keine Sorgen machst. Du magst les Grais einfach nicht.«
    Das alles langweilte Tom, außerdem war er mit dem Jungen im Haus so nervös, daß er sich kaum der Bemerkung enthalten konnte, die Grais langweilten ihn zu Tode. »Solche Leute muß es auch geben. Leider.« Spontan beschloß er, Eric Lanz nicht zu erwähnen, der morgen abend kommen sollte, obwohl er es ihr eigentlich jetzt hatte sagen wollen.
    »Aber wie gefällt dir der Tisch wirklich ? Für mein Zimmer, die Ecke neben dem Bett auf der Seite, wo du schläfst. Mein alter Tisch dort würde sich besser zwischen den beiden Betten im Gästezimmer machen.« Héloïse bewunderte die glänzende Oberfläche.
    »Er gefällt mir gut, ehrlich«, sagte Tom. »Wieviel noch mal?«
    »Nur vierhundert Franc. Chêne, Stil Louis-quinze, aber hundert Jahre alt. Ich habe hart gefeilscht.«
    »Gut gemacht«, sagte Tom und meinte es auch, denn der Tisch war hübsch und schien stabil genug, um darauf zu sitzen, auch wenn das nie jemand tun würde. Außerdem liebte Héloïse die Vorstellung, einen guten Kauf gemacht zu haben. Was nicht oft der Fall war. Tom dachte an andere Dinge.
    Er ging zurück auf sein Zimmer und machte sich an die langweilige Aufgabe, genau eine Stunde, nach der Uhr, die monatlichen Einnahmen und Ausgaben für seinen Steuerberater aufzulisten. Oder besser, für den seines Schwiegervaters. Pierre Solway führte natürlich Toms und Héloïses Bücher getrennt von denen des erhabenen Jacques Plisson, doch Tom war ganz froh, das Beraterhonorar zu sparen (das Plisson bezahlte) und zu wissen, daß der alte Herr an den Büchern nichts auszusetzen hatte. Er fand nämlich bestimmt Zeit, sie zu überfliegen. Héloïse erhielt ihr Einkommen oder ihre Zuwendung vom Vater in bar, das Geld brauchte also auf der Steuererklärung der Ripleys nicht aufzutauchen. Auch Toms Einkünfte aus dem Derwatt-Konzern – um die zehntausend Franc pro Monat, zweitausend Dollar bei einem schwachen Franc – wurden unter der Hand in Schweizer Franken gezahlt: Das Geld floß fast ausschließlich über die Kunstakademie Derwatt in Perugia, stammte aber zum Teil aus Verkäufen der Galerie Buckmaster. Toms zehnprozentiger Anteil an den Derwatt-Gewinnen stammte auch aus der gleichnamigen Firma für Künstlerbedarf, die alles von Radiergummis bis Staffeleien anbot, doch war es leichter, Geld aus Norditalien in die Schweiz zu transferieren als von London nach Villeperce. Dann war da noch die Erbschaft, die Dickie Greenleaf Tom hinterlassen hatte – eine Summe, die von ursprünglich drei- bis vierhundert Dollar pro Monat vor Jahren auf jetzt etwa achtzehnhundert angeschwollen war. Seltsamerweise zahlte Tom auf diese Einkünfte die volle amerikanische Kapitalertragssteuer, einen nicht unerheblichen Betrag.
    Tom fand das ironisch und nicht unpassend, hatte er doch nach Dickies Tod dessen Testament gefälscht: Er hatte es damals in Venedig auf der Hermes des Toten getippt und auch die Unterschrift gefälscht.
    Wenn man es genau betrachtete, fragte sich Tom, wie jeden Monat: Wovon lebte Belle Ombre eigentlich nach außen hin?

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