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Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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sein, und ich denke, jeder sollte glücklich sein und nicht von irgendwas oder irgendwem eingeschränkt werden. Damit meine ich, durch die Lebensumstände oder in der Art, wie er leben will. Aber
    (Das »Aber« hatte er durchgestrichen und auf der Maschine weitergeschrieben.)
Ich weiß noch, wie nach dem Mittagessen – Tal war bei uns, der Freund meiner Mutter – mein Vater wie immer von der Standuhr unten in der Diele anfing, die er reparieren lassen wollte. Seit etwa einem Jahr steht sie. Dad hat ständig davon gesprochen, aber er traute keinem Handwerker hier in der Gegend und wollte sie nach New York einschicken. Die Uhr ist ein altes Erbstück seiner Familie. Beim Essen habe ich mich gelangweilt. Meine Mutter und Tal haben viel gelacht, doch über ihre eigenen Witze und über Leute aus ny, die sie kennen.
Nach dem Essen hörte ich, wie mein Vater in der Bibliothek mit Tokio sprach – er brüllte ins Telefon. Ich habe einfach abgeschaltet und in der Diele gewartet. Mein Vater meinte, er hätte mir etwas zu sagen. Letztlich nicht mehr, als daß ich am Abend gegen sechs zu ihm in die Bibliothek kommen sollte. Ich dachte, das hätte er mir auch beim Essen sagen können. Dann ging ich wütend auf mein Zimmer. Die anderen spielten Krocket auf dem Rasen neben dem Haus.
Ich kann meinen Vater nicht ausstehen, das gebe ich zu, und wie ich gehört habe, geht es vielen nicht anders mit ihren Vätern. Das heißt nicht, daß man seinen Vater töten muß. Ich glaube, ich kann noch immer nicht begreifen, was ich getan habe, und deshalb kann ich mich mehr oder weniger normal verhalten, wie jeder andere, selbst wenn das eigentlich unmöglich sein sollte und es in mir ganz anders aussieht: Ich fühle mich gehemmt und angespannt und werde vielleicht niemals darüber wegkommen. Darum habe ich beschlossen, nachdem ich es getan hatte, T.R. aufzusuchen – aus irgendeinem Grund war ich gespannt, ihn kennenzulernen. Zum Teil wohl wegen des Rätsels um die Derwatts. Meine Familie besitzt einen, und vor ein paar Jahren, als der Verdacht auftauchte, einige seiner Bilder wären gefälscht, hat sich mein Vater dafür interessiert. Damals war ich etwa 14. In den Zeitungen wurden mehrere Namen genannt, vor allem von Engländern aus London – Derwatt lebte in Mexiko. Ich habe damals viel über Spionage gelesen und fand das faszinierend, bin in die große New Yorker Stadtbibliothek gegangen und habe im Zeitungsarchiv die Artikel über diese Leute studiert, wie ein Privatdetektiv bei seinen Ermittlungen. Die Einträge über T.R. fand ich am interessantesten: Ein Amerikaner in Europa, hat in Italien gelebt – da stand etwas von einem Freund, der ihm nach dem Tod sein ganzes Vermögen hinterlassen hat, also muß er ihn gemocht haben, und noch etwas über einen verschollenen Amerikaner namens Murchison, in Verbindung mit dem Rätsel um die Derwatts. Der Mann war nach einem Besuch in T.R.s Haus verschwunden. Ich dachte, auch T.R. könnte jemand umgebracht haben, möglich wäre es jedenfalls, trotzdem wirkte er auf den beiden Fotos in den Zeitungsberichten, die ich eingesehen habe, nicht hart oder überheblich. Er sah ganz gut aus, schien gar nicht grausam. Und ob er jemanden getötet hatte, ließ sich anscheinend nicht schlüssig beweisen.
    (Ab hier hatte Frank wieder den Kugelschreiber genommen.)
An jenem Tag dachte ich nicht zum ersten Mal: Warum sollte ich Teil des alten Systems werden, das sogar die Ratten, die Teil dieses Systems geworden waren, tötete? Oder doch wenigstens viele von ihnen schon umgebracht hatte und noch umbringen würde, durch Selbstmorde, Nervenzusammenbrüche oder einfach durch Wahnsinnigwerden? Johnny hatte sich bereits rundweg verweigert – er ist älter als ich und mußte also wissen, was er tat. Warum sollte ich nicht ihm folgen statt meinem Vater?
Dies ist ein Geständnis, und nur einem gegenüber,T.R., bekenne ich hiermit, daß ich meinen Vater getötet habe. Ich habe seinen Rollstuhl von der Klippe gestoßen. Manchmal kann ich es nicht glauben, aber ich weiß, ich habe es getan. Ich habe von Feiglingen gelesen, die vor ihrer Tat davonlaufen. So will ich nicht werden. Manchmal kommt mir ein grausamer Gedanke: Mein Vater hat lange genug gelebt. Er war kalt und grausam zu Johnny und mir – meistens jedenfalls. Okay, er konnte mal so und mal so sein. Doch er hat versucht, uns zu brechen oder zu anderen Menschen zu machen. Er hatte sein Leben gelebt, zwei Ehen, davor andere Frauen, jede Menge Geld, Luxus. In den

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