Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)
oder? – Du wählst 19, die 1 und 212. Ich kann nach oben gehen, dann höre ich nichts.« Er wies auf das Telefon und ging die Treppe hinauf. Der Junge würde es tun, das spürte er. In seinem Zimmer schloß Tom die Tür.
Keine fünf Minuten später klopfte es; er sagte »herein«, und der Junge trat ein. »Sie ist nicht da. Spielt Tennis.« Als verkünde er eine schreckliche Nachricht.
Frank konnte sich wohl nicht vorstellen, Teresa könne so wenig an ihm liegen, daß sie Tennis spielen ging. Tom vermutete, noch schmerzlicher für ihn sei es zu wissen, daß sie mit einem Jungen spielte, den sie lieber hatte als ihn. »Du hast mit ihrer Mutter gesprochen?«
»Nein, mit dem Hausmädchen, Louise. Ich kenne sie. Louise sagte, ich sollte in einer Stunde wieder anrufen. ›Teresa ist mit ein paar Jungs weg.‹« Der letzte Satz, wie in Anführungszeichen gesprochen, klang jämmerlich.
»Hast du gesagt, daß es dir gutgeht?«
Der Junge dachte kurz nach. »Nein. Warum sollte ich? Ich werde schon okay geklungen haben.«
»Von hier kannst du leider nicht mehr anrufen«, sagte Tom. »Wenn das – falls Louise das Gespräch erwähnt, wird die Familie den Anruf womöglich zurückverfolgen wollen, solltest du dich wieder melden. Ist jedenfalls nicht unwahrscheinlich. Das kann ich nicht riskieren. Das Postamt in Fontainebleau hat schon geschlossen, sonst würde ich dich hinfahren. Ich fürchte, heute abend wirst du Teresa nicht mehr erreichen, Billy.« Tom hatte gehofft, der Junge könnte heute noch mit Teresa sprechen und sie würde etwas sagen wie: Ach, Frank, geht es dir gut? Du fehlst mir! Wann kommst du nach Hause?
»Ich verstehe«, sagte der Junge.
»Billy«, fuhr Tom bestimmt fort, »du mußt dich entscheiden, was du willst. Du wirst nicht verdächtigt, niemand wird dich anklagen. Susie zählt kaum, weil sie nichts gesehen hat. Wovor hast du eigentlich Angst? Das ist es, worüber du dir klarwerden mußt.«
Frank rutschte herum und steckte die Hände in die Gesäßtaschen. »Vor mir selber, glaub ich. Das hab ich schon gesagt.«
Ja. »Wenn ich nicht wäre, was würdest du tun?«
Achselzuckend sagte er: »Mich umbringen, vielleicht. Oder auf der Straße schlafen – Piccadilly Circus. Sie wissen schon, wie die da um den Brunnen herumhängen, um die Statue. Ich würde Johnny seinen Paß zurückschicken, und dann wüßte ich auch nicht weiter. Bis jemand meine Papiere sehen wollte. Dann würden sie mich nach Hause schicken…« Wieder zuckte er die Achseln. »Und danach? Ich weiß auch nicht. Kann sein, daß ich niemals gestehe « – er betonte das Wort, obwohl er flüsterte –, »aber vielleicht würd ich mich ein paar Wochen später umbringen. Dann ist da noch Teresa: Ich gebe zu, das macht mir schwer zu schaffen, und wenn da was schiefgeht – oder schon schiefgegangen ist… Sie kann mir ja nicht schreiben, also ist es die Hölle.«
Tom sparte sich die Bemerkung, Frank werde sich wahrscheinlich noch in mehr als ein Dutzend andere Mädchen verlieben, bevor er die eine fände, die er irgendwann heiraten werde.
Am Mittwoch um kurz nach zwölf rief Reeves bei Tom an. Eine angenehme Überraschung: Der fragliche Gegenstand sei am späten Abend fertig und werde morgen gegen Mittag in Paris sein. Falls Tom es eilig habe, könne er ihn in einer bestimmten Pariser Wohnung abholen, andernfalls werde er ihm von Paris per Einschreiben zugeschickt. Tom sagte, er wolle ihn lieber selbst abholen. Reeves nannte ihm einen Namen, eine Adresse, zweiter Stock.
Tom fragte nach der Telefonnummer, nur für den Notfall, und Reeves gab ihm auch diese. »Sehr schnelle Arbeit, Reeves. Vielen Dank.« Er fand, es hätte auch gereicht, den Paß per Einschreiben von Hamburg zu schicken, doch das Flugzeug sparte wirklich einen ganzen Tag.
»Und für diesen kleinen Auftrag…«, krächzte Reeves mit einer Stimme wie ein alter Mann, dabei war er keine Vierzig. »…zweitausend, Tom, wenn’s recht ist. Dollar. Ein günstiger Preis, denn es war nicht einfach, verstehen Sie, irgendwie was Neues. Außerdem dürfte Ihr Freund es sich leisten können, oder?« Er klang freundlich und amüsiert.
Aha. Reeves hatte Frank Pierson wiedererkannt. »Ich kann jetzt nicht weitersprechen«, sagte er. »Schicke Ihnen das Geld auf dem üblichen Weg, Reeves.« Tom meinte eine Anweisung an seine Schweizer Bank. »Sind Sie in den nächsten Tagen zu Hause?« Nicht daß er Pläne hätte, doch das wollte er wissen. Reeves konnte eine große Hilfe sein.
»Ja,
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