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Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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warum? Wollen Sie herkommen?«
    »Nein, das nicht.« Tom war vorsichtig, immer in Angst, sein Telefon könne angezapft sein.
    »Sie bleiben also, wo Sie sind.« Vermutlich wußteReeves, daß er Frank Pierson Unterschlupf gewährte, wenn nicht in seinem Haus, dann woanders. »Was ist los? Können Sie nicht darüber sprechen?«
    »Nein, zur Zeit nicht. Ganz unmöglich. Ich danke Ihnen, Reeves.«
    Sie legten auf. Tom ging zur Flügeltür und sah Frank in Levis und dunkelblauem Arbeitshemd am Rand eines langen Rosenbeets mit dem Spaten hantieren. Er arbeitete langsam und gleichmäßig, wie ein Bauer, der sein Handwerk verstand, nicht wie ein Amateur, der sich schnell in die Arbeit gestürzt und binnen einer Viertelstunde völlig verausgabt hätte. Seltsam, dachte Tom: War die Arbeit in der Vorstellung des Jungen womöglich eine Art Buße? Gestern und heute hatte Frank seine Zeit mit Lesen und Musikhören verbracht, und er hatte Arbeiten im Haus erledigt, das Auto gewaschen und Belle Ombres Keller ausgefegt, was bedeutete, ziemlich schwere Weinregale abzurücken und wieder an ihren Platz zu schieben. Die Arbeiten waren seine Idee gewesen.
    Tom fragte sich, ob sie nach Venedig fahren sollten. Ein Ortswechsel könnte den Jungen soweit wieder aufrichten, daß er fähig war, eine Entscheidung zu treffen; dann könnte Tom ihn in eine Maschine von Venedig nach New York setzen und allein zurückkehren. Oder nach Hamburg? Das nahm sich nichts. Allerdings wollte er Minot nicht in das Versteckspiel um den Jungen hineinziehen, und eigentlich hatte er auch keine Lust mehr, das noch lange mitzumachen. Vielleicht würde Frank mit dem neuen Paß den Mut finden, allein zurückzugehen und sein Abenteuer auf eigene Art zu Ende zu bringen.
    Am Donnerstag mittag rief Tom die Pariser Nummer in der Rue du Cirque an. Eine Frau meldete sich. Beide sprachen sie französisch.
    »Hier ist Tom.«
    » Ah, oui. Ich denke, es geht alles in Ordnung. Sie kommen heute nachmittag?« Sie klang nicht wie ein Hausmädchen, eher wie die Dame des Hauses.
    »Ja, wenn es Ihnen recht ist. Gegen halb vier?«
    Das war ihr recht.
    Héloïse erzählte er, daß er schnell nach Paris müsse, ein Gespräch mit ihrem Bankberater, und zwischen fünf und sechs zurück sei. Toms Konten waren nicht überzogen, doch manchmal gab ihm einer der Bankiers vom Morgan Guarantee Trust Börsentips – sehr allgemein gehalten und eher unwichtig, fand Tom, der seine Aktien lieber mit dem Markt steigen und fallen ließ, als Zeit mit gefährlichen Spekulationsspielen zu vergeuden. Trotzdem war Toms Vorwand gut genug, weil Héloïse an diesem Nachmittag inGedanken bei ihrer Mutter war. Madame Plisson, einejugendlich wirkende Fünfzigerin, mußte zu einer Untersuchung ins Krankenhaus, die eine Tumoroperation nach sich ziehen könnte. Tom bemerkte, Ärzte bereiteten einen stets auf das Schlimmste vor.
    »Deine Mutter sieht kerngesund aus. Bestell ihr von mir, ich wünsche ihr alles Gute«, sagte er.
    »Kommt Billy mit?«
    »Nein, er bleibt hier. Will ein paar kleinere Arbeiten erledigen. Für uns.«
    In der Rue du Cirque fand Tom mit Glück einen freien Platz vor einer Parkuhr und ging zu dem Haus, einem alten, gut erhaltenen Gebäude mit dem üblichen Summer neben der Haustür. Er drückte darauf, die Tür öffnete sich, und er betrat eine Diele oder Vorhalle mit der Conciergeloge samt kleinem Guckfenster, kümmerte sich aber nicht um die Alte, sondern nahm den Aufzug zum zweiten Stock und drückte die Klingel zur Linken, unter der »Schuyler« stand.
    Ein hochgewachsene Frau mit üppigem rotem Haar öffnete die Tür einen Spaltweit.
    »Tom.«
    »Ah ja, herein. Bitte hier entlang.« Sie führte ihn über den Flur in das Wohnzimmer. »Sie kennen sich, glaube ich.«
    Im Zimmer erwartete ihn ein lächelnder Eric Lanz, die Hände in die Hüften gestützt. Auf einem niedrigen Tisch vor dem Sofa stand ein Tablett mit Kaffee. »Hallo, Tom. Ja, ich bin’s wieder. Wie geht es Ihnen?«
    »Gut, danke. Und Ihnen?« Auch Tom lächelte, so überrascht war er.
    Die Rothaarige hatte den Raum verlassen. Aus einem anderen Zimmer der Wohnung ertönte das leise, eintönige Rattern von Nähmaschinen. Was war das hier? Ein weiteres Zwischenlager für Hehlerware, wie Reeves Hamburger Wohnung, mit einer couturière als Tarnung?
    »Das ist er«, sagte Eric Lanz und öffnete eine beigebraune Pappmappe, die mit Bändern verschlossen war. Er zog einen weißen Brief hervor.
    Tom warf einen Blick über die Schulter,

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