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Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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andere Untat geplant hätten? Aber Frank war nicht da. Sein Schlüssel hing am Haken hinter dem Empfangstresen, genau wie sein eigener.
    Tom nahm den Schlüssel, ging auf sein Zimmer, schloß nervös von innen ab, setzte sich aufs Bett und griff nach dem Telefonbuch. Er fand die Nummern der Polizeiabteilungen vorne im Buch, wie erwartet, und wählte den Notruf. Die Zigarettenschachtel mit dem Autokennzeichen legte er vor sich hin.
    »Ich glaube, ich habe eine Entführung mit angesehen«, sagte Tom. Er beantwortete die Fragen des Mannes: Wann? Wo?
    »Und Ihr Name bitte?«
    »Den möchte ich lieber nicht nennen. Aber ich habe das Kennzeichen des Wagens notiert.« Tom gab es durch, auch Farbe und Typ des Autos – ein dunkelblauer Audi.
    »Wer wurde entführt? Kennen Sie das Opfer?«
    »Nein«, sagte Tom. »Ein Junge, sah aus wie sechzehn, siebzehn. Einer der Männer hatte eine Pistole. Könnte ich in ein paar Stunden zurückrufen und fragen, was Sie herausgefunden haben?« Was der Mann auch sagte, Tom würde sowieso anrufen.
    »Ja.« Ein brüskes »Danke«, dann legte der Mann auf.
    Tom hatte gesagt, der Junge sei gegen sechzehn Uhr im Grunewald entführt worden, unweit des Trümmerbergs. Jetzt war es kurz vor halb sechs. Er sollte Franks Mutter anrufen, dachte er, und sie warnen, daß man Lösegeld von ihr fordern werde – doch was sollte das nützen? Nun, da der Detektiv der Piersons wirklich Arbeit bekam, hing er in Paris fest, und Tom wußte nicht, wie er ihn erreichen konnte. Mrs. Pierson dürfte es allerdings wissen.
    Tom ging hinunter und verlangte am Empfang den Schlüssel von Herrn Andrews Zimmer. »Mein Freund ist ausgegangen, er braucht etwas.«
    Ohne eine Frage bekam er den Schlüssel.
    Tom ging hinauf und betrat das Zimmer des Jungen: Das Bett war gemacht, das Zimmer ordentlich aufgeräumt. Er suchte auf dem Schreibtisch nach einem Adreßbuch, doch dann fiel ihm Johnnys Paß in Franks Koffer ein, in dem eine amerikanische Adresse in New York City angegeben war. Park Avenue. Seine Mutter würde zur Zeit wohl in Kennebunkport sein, doch die New Yorker Anschrift war besser als nichts. Tom notierte sie sich und steckte den Paß zurück. In der Tasche des Kofferdeckels fand er ein kleines braunes Adreßbuch und schlug es hoffnungsvoll auf. Unter Pierson fand sich nur ein Eintrag, »Pierson Sunfish«, mit einer Adresse in Florida samt Telefonnummer. Pech gehabt. Die meisten Leute schrieben wohl ihre eigenen Adressen nicht auf, weil sie die auswendig wußten, aber die Piersons mußten so viele Häuser besitzen, daß Tom sich Hoffnungen gemacht hatte.
    Vielleicht wäre es für das, was er brauchte, doch das Beste, unten am Empfang zu fragen, denn die Postämter hatten sonntags geschlossen. Zuerst aber ging er wieder auf sein Zimmer, legte Franks Schlüssel aufs Bett, zog seinen Pullover aus und wusch sich mit einem nassen Handtuch Gesicht und Oberkörper. Dann schlüpfte er in den Pulli und zwang sich zur Ruhe, äußerlich wenigstens. Er war völlig erschüttert von der – ja, Vergewaltigung des Jungen, war er ihm doch gewaltsam entrissen worden. Nie hatte Tom eine eigene Tat derart tief getroffen, weil er früher in solchen Fällen alles unter Kontrolle gehabt hatte. Das war diesmal ganz und gar nicht so. Er verließ sein Zimmer, schloß ab und ging die Treppe hinunter.
    Am Empfang schrieb er in Druckbuchstaben auf einen Notizzettel: JOHN PIERSON, KENNEBUNKPORT, MAINE (BEI BANGOR) . Bangor war vermutlich die nächste Großstadt, unter Umständen konnte man dort die Nummer in Kennebunkport herausfinden. »Könnten Sie die Auskunft von Bangor in Maine, USA , bitten, mir die Telefonnummer der Piersons zu nennen?« fragte Tom den Mann am Schalter, der las, was Tom geschrieben hatte, und erwiderte: »Ja, sofort.« Er ging zu einer jungen Frau, die rechts von Tom an einer Schalttafel saß.
    Der Mann kam zurück und sagte: »Zwei, drei Minuten vielleicht. Möchten Sie jemand Bestimmtes sprechen?«
    »Nein. Vorerst nur die Nummer, bitte.« Tom wartete in der Hotelhalle. Er fragte sich, ob die Frau Erfolg haben oder ob die amerikanische Auskunft sagen würde, die Nummer sei nicht eingetragen und dürfe nicht herausgegeben werden.
    »Herr Ripley, wir haben die Nummer«, sagte der Mann am Empfang. Er hielt einen Zettel in der Hand.
    Tom lächelte. Er schrieb sie sich auf einem zweiten Zettel ab. »Könnten Sie dort anrufen? Ich gehe für das Gespräch auf mein Zimmer. Und bitte keinen Namen. Nur Berlin.«
    »Sehr wohl,

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