Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
Vom Netzwerk:
rückwärts bis zur Straße, wendete und fuhr schnell in Richtung Hauptstraße davon.
    Die Entführer ließen ihren Kameraden im Stich. Natürlich konnten sie es sich leisten, ihn zurückzulassen, auch das Lösegeld fürs erste, weil sie immer noch den Jungen hatten. Wahrscheinlich dachten sie, die Polizei habe einen Hinterhalt gelegt und vor Ort sei gar kein Geld gewesen. Tom atmete durch den offenen Mund, wie nach einem schweren Kampf. Er sicherte Peters Pistole, steckte sie in die rechte Jackentasche, hob die Taschenlampe auf und richtete den Lichtstrahl kurz auf den Mann am Boden: Seine linke Schläfe war blutüberströmt, womöglich zerschmettert; für Tom sah er genauso aus wie der italienische Typ aus dem Grunewald, wenn auch jetzt ohne Schnurrbart. Sollte er ihn durchsuchen? Die Taschenlampe in der einen Hand, griff Tom mit der anderen rasch in die einzige Gesäßtasche der schwarzen Hose des Mannes, fand nichts, fischte mit einiger Mühe aus der linken Vordertasche eine Streichholzschachtel, mehrere Münzen sowie einen Schlüssel hervor – anscheinend ein Hausschlüssel. Den steckte er ein, schnell und fast automatisch, und vermied dabei jeden Blick auf die rote Lache, die Schläfe und Wange des Mannes bedeckte – ihm würde schwach werden, wenn er hinsähe, dachte er. Die rechte Vordertasche fühlte sich flach und leer an. Tom hob die Waffe des Mannes auf, die neben dessen Hand lag, steckte sie in eine Ecke des Koffers und zog den Reißverschluß wieder zu. Er rieb die Taschenlampe des Toten an seiner Hose ab, knipste sie aus und ließ sie fallen.
    Dann stolperte er über das Feld, ohne Peters kleine Taschenlampe einzuschalten, wäre einmal fast gestürzt und ging weiter den Weg entlang nach Alt-Lübars, im Rücken das Kläffen der scharfen Hunde. Bislang hatte er niemanden gesehen, der sich aus dem Haus gewagt hätte, um den Schüssen nachzugehen, also riskierte er es, mit der kleinen Taschenlampe ab und zu kurz auf den Boden zu leuchten, damit er sah, wohin er trat. In Alt-Lübars brauchte er das nicht mehr, denn dort war die Straße eben. Tom sah nicht nach links, wo Peter womöglich noch wartete; er wollte niemandem aus dem Dorf über den Weg laufen, der gerade vor die Tür treten könnte.
    Hinter ihm ging irgendwo ein Fenster auf; jemand rief etwas.
    Tom sah sich nicht um.
    Was hatte der Mann gerufen? »Wer ist da?« oder »Wer ist das?«
    Das Hundegebell war nicht mehr zu hören. Tom fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, als er rechts um die Ecke auf den Zabel-Krüger-Damm einbog. Auf einmal kam ihm der Koffer federleicht vor. Hier parkten Autos, ab und zu fuhr ein Wagen vorbei. Der Morgen war nun wirklich angebrochen, und wie zur Bestätigung erlosch die Hälfte der Straßenlampen. Höchstens hundert Meter vor sich sah Tom ein Schild, vermutlich das einer Bushaltestelle. Peter hatte eine Linie 20 erwähnt, die nach Tegel fuhr, also in Richtung Flughafen, auf jeden Fall in Richtung Berlin. Tom wagte es, den Koffer hochzuheben und die Ecken auf das helle oder dunkle Rot von Blut zu untersuchen. Sicher konnte er im Dämmerlicht nicht sein, denn Erde oder Schlamm mochten genauso aussehen wie Blut, doch fand er nichts, was ihm Sorgen machen müßte. Er zwang sich zu mäßig schnellen Schritten, als habe er ein Ziel, doch keine Eile. Auf dem Gehweg waren nur zwei andere Männer unterwegs, der eine älter und leicht gebeugt. Sie beachteten ihn nicht.
    Wie oft fuhren hier Busse? Tom blieb an der Haltestelle stehen und sah zurück. Ein Wagen tauchte auf, die Scheinwerfer voll aufgeblendet, und jagte vorüber.
    »Äpfel, Äpfel!« rief ein kleiner Junge auf deutsch und kam herbeigelaufen. Er stieß mit dem älteren Mann zusammen, der ihn fast umarmt hätte.
    Tom beobachtete die Szene: Woher war der Kleine gekommen? Warum rief er »Äpfel«, wenn er keine dabei hatte? Der Mann nahm den Jungen bei der Hand, und sie gingen weiter, weg von Berlin.
    Gelbliche Frontlichter näherten sich. Das könnte ein Bus sein. »20 – TEGEL « las Tom in dem beleuchteten Feld vorne oben. Als er die Fahrkarte löste, bemerkte er dunkelrotes Blut auf den Knöcheln seiner linken Hand. Wie war das passiert? Tom suchte sich einen Platz in dem beinah leeren Bus, stellte den Koffer zwischen die Knie und steckte die Linke in die Jackentasche. Die anderen Fahrgäste sah er nicht an, schaute links zum Fenster hinaus: Immer mehr Häuser, Autos, Menschen, das machte Mut. Es war jetzt so hell, daß er die Farben der Autos erkennen

Weitere Kostenlose Bücher