Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)
ihn von hinten an.
Vermutlich hatte er sagen wollen, hier sei es leichter, jemandem etwas zu übergeben, als an einer Straßenecke, weil außer den Tanzenden sämtliche Besucher der Bar sich lautstark unterhielten oder andere anstarrten und ans Abschleppen dachten, nicht an Schmuggel und Konterbande. Tom bewunderte fast wider Willen einen Jungen in Frauenfummeln, der eine lange schwarze Federstola (oder was immer) um den Hals geschlungen trug. Das andere Ende fiel frei herab, er wedelte beim Umherstolzieren sachte damit. Wenige Frauen gaben sich derart viel Mühe, so gut auszusehen.
Dann kam Erics Kontakt, ein großer junger Mann ganz in schwarzem Leder, die Hände in den Taschen seiner kurzen Jacke vergraben. »Das ist Max !« Eric mußte schreien.
Tom stellte er nicht vor. Auch gut, dachte Tom. Eric gab Max das Päckchen, das er in Geschenkpapier eingeschlagen und mit einem blauen Band umwickelt hatte; der junge Mann schob es unter seine Lederjacke und zog den Reißverschluß wieder zu. Max hatte kurzgeschorenes Haar und neonpink lackierte Fingernägel.
»Keine Zeit, das wegzubringen«, sagte er zu Tom, auf englisch mit deutschem Akzent. »Hatte den ganzen Tag zu tun. Gefällt’s Ihnen?« Er grinste spöttisch. Die Fingernägel, meinte er.
»Ein Drink, Max? Dornkaat?« Eric schrie gegen die laut pulsierende Musik an. »Oder einen Wodka?«
Max war auf einmal wie verwandelt. Er hatte jemanden gesehen, hinten in der Ecke. »Danke, aber ich muß mich verpissen.« Ein Kopfnicken in dieselbe Richtung wie der Blick, der Tom aufgefallen war, dann sah er verlegen zu Boden. »Dem Kerl da drüben will ich gerade lieber nicht begegnen. Hat weh getan. Tut mir leid, Eric. Gute Nacht.« Er nickte Tom zu, drehte sich um und verließ die Bar.
»Ein guter Junge!« rief Eric auf deutsch Tom zu, mit einer kurzen Kopfbewegung zur Tür, durch die Max verschwunden war. »Ist in Ordnung! Schwul, aber genauso zuverlässig wie Peter. Sein Freund heißt Rollo, kann sein, daß Sie ihn noch kennenlernen!« Eric legte ihm die Hand auf den Arm, drängte ihn, noch etwas zu trinken, ein Bier vielleicht oder etwas anderes? Am besten, sie blieben noch ein bißchen, gab er ihm damit zu verstehen.
Tom hatte nichts gegen ein Bier und gab dem Barmann schon das Geld. »Ich mag diese verrückte, phantastische Show!« sagte er zu Eric. Er meinte die Transvestiten hier und da, die Schminke, die spielerischen Flirts und das Gelächter, die allgegenwärtige gute Laune. Das alles gab ihm neuen Schwung, so wie ihn die Ouvertüre zum Mittsommernachtstraum vor einem Kampf stets beschwingte. Ah, die Phantasie: Mut gab es jedenfalls nur in der Vorstellung, er war eine Frage des Geisteszustands. Realitätssinn half einem nicht vor einem Messer oder einer Pistole. Nicht zum erstenmal fielen Tom die Blicke auf, die Eric über die Schulter warf – verstohlen oder ängstlich-wachsam, nicht so, als suche er unter den Jungen und Männern nach einem alten oder neuen Bekannten. Oder tat er das doch? Tom glaubte nicht. Lanz war ein Geschäftsmann, der sich um seine allem Anschein nach weitverzweigten Verbindungen kümmern mußte; der Blick über die Schulter war ihm zur Gewohnheit geworden.
»Jemals Ärger mit der Polizei gehabt, Eric?« fragte Tom dicht am Ohr des Mannes. »Ich meine, in einer Bar wie dieser?«
Doch Lanz hatte ihn nicht gehört, weil im selben Moment die Musik mit schmetternden Beckenschlägen ihren vibrierenden Höhepunkt erreichte, der einige Sekunden andauerte, bevor der tiefe Puls wieder einsetzte, der die Wände wie Trommelschläge traf. Auf der Tanzfläche sprangen Männer auf und ab, wirbelten herum wie in Trance. Tom gab es auf, schüttelte den Kopf und griff nach seinem frisch gezapften Bier: Er wollte hier nicht lauthals das Wort ›Polizei‹ schreien.
14
Berlin blieb zurück, die Lichter der Großstadt verblaßten. Sie fuhren weiter, durch schon fast ländliche, eher langweilige kleine Siedlungen, wo beinah alle Kneipen dunkel waren. Die Fahrt ging nach Norden. Eric hatte zu Hause bleiben wollen, was Tom ganz recht war, weil er sich nicht vorstellen konnte, was Lanz ihnen nützen sollte. Außerdem könnten die Entführer ihn für einen Polizisten halten, sollten sie einen dritten Mann in Peters Wagen sehen.
»So, hier fängt Lübars an«, sagte Peter nach knapp einer Dreiviertelstunde Fahrt. »Ich suche jetzt die richtige Straße, dann sehen wir weiter.« Er richtete sich gerade im Sitz auf, als habe er einen wichtigen Auftrag
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