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Der junge Goedeschal - Roman

Der junge Goedeschal - Roman

Titel: Der junge Goedeschal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Los!«
    An Wellhöhner vorbei suchte sich Schütt unbemerkt in die Klasse zu drängen. Mit einer Wendung des Kopfes hatte ihn Scheide entdeckt. »He, Schütt! Wo kommen Sie her? Es ist halb neun! Ich werde Sie mit Karzer bestrafen! Was? Ihre elektrische Bahn kam nicht! Gehen Sie früher fort!« Er riss das Klassenbuch auf, während er laut sprach, malte er hinein: »Schütt wird wegen einer halben Stunde Verspätung mit zweiStunden Karzer bestraft. Was? Sie sind nicht zufrieden! Setzen Sie sich! Was stehen Sie hier, Mensch? Setzen Sie sich!«
    Er klappte das Buch zu. »Natürlich werde ich Sie nicht bestrafen. Wenn Sie dumm bleiben wollen, nur zu!«
    Mit raschem Griff nahm er Wellhöhner einen Stoß Hefte ab und scheuchte ihn auf seinen Platz zurück. »Charakterisierung von Sallusts ›Bellum Catilinae‹, das war das Thema. Keiner hat’s gebracht. Die meisten haben abgeschrieben. Franke, Sie indolenter Mensch, Auszüge aus dem großen Meyer kann ich mir selbst machen. Was, Sie wollen protestieren! Ja, sind wir denn in einer Kleinkinderschule?«
    Er sah sich fragend um. »Gewogen und zu leicht befunden. Einwühlen, denken, selber denken, nicht so obenhin. Das ›Bellum Catilinae‹ ist ein Genuss, kein Sibirien. Alles schlechte Noten. Ob Sie sich schämen, weiß ich nicht. Schütt, unterhalten Sie sich in der Pause mit Ihrem Nachbarn. Beste Arbeit hat Goedeschal. Goedeschal, stehen Sie auf!«
    ›Aber ich will nicht. Was soll ich hier vor den andern? Ans Licht gezerrt stehe ich mit der Gebärde eines sich Vordrängenden.‹
    »Sie sollten sich am meisten schämen! Ihren Gedanken fehlt Klarheit. Sie haben nicht gedacht, Sie haben geträumt. Die Klasse hört den Schluss: ›Und doch, wenn wir das ganze Werk noch einmal durchblättern, finden wir nur eine Stelle, in der Sallust wirklich schön und anschaulich schreibt. Und diese Stelle lautet: Catilina wurde weit entfernt von seinen Leuten zwischen den Leichnamen der Feinde gefunden, ein wenig noch atmend, und den trotzigen Sinn, den er im Leben besessen, noch im Tode verratend.‹ – Sie haben das gefühlt, Goedeschal, nicht gedacht. Lächerlich, dass dies die anschaulichste Stelle sein soll. Aber sonst gut. Setzen Sie sich. Was wollen Sie noch? Sie haben Ihr Skriptum vergessen?Bringen Sie es morgen mit. Setzen Sie sich, Mensch. Träumen Sie nicht wieder, setzen Sie sich.«
    »Und doch habe ich recht. Denn ich sehe ihn, nur hier in diesem ganzen Buch sehe ich ihn. Er liegt einsam, erschlagen unter Feinden. Jubelnd stürzte er vor. Es war viel Rot um ihn. Aber nie war der Tod ferner von ihm als in jenem Augenblick, da das Schwert auf ihn zuflog. Dann lag er da, er hatte nicht Zeit gehabt, müde zu werden, feige zu sein. Eben noch stürzte das ganze Leben trunken durch seine Adern. Nun strömt es fort in die Erde, und es ist gut, so dazuliegen mit einem weiten Himmel über sich und der Erde wieder zu schenken, was sie ihm gab. – War ich es nicht, der im Dämmer nach ihm suchte? Zwischen den Stöhnenden irrend, wusste ich, er musste stumm daliegen. Dann fand ich ihn. Seine Handflächen waren nun weit und plan. Aber sein Mund lächelte trotzig, stolz, verächtlich wie damals, da er den Fackelbrand seiner zerhackten, rasenden Reden in unsere Seelen leuchten ließ. Habe ich nicht an seiner Seite gekniet, in seinem klebrig gewordenen Blut und habe ihm gedankt, dass er mich, schon tot, den Mut lehrte? Ach, wo waren da die andern! Wo war Scheide, Arne, Klotzsch! Einsam knie ich, fern und allein in der Dämmerung, und seine toten Lippen lächeln mir zu.«
    Er senkte den Kopf. Es war schwer, den Rückweg zu finden aus dem durchglühten Aschengrau dieser Sterbestunde zu dem staubtrockenen Grau der Schule. Was lohnte es sich zuzuhören! Sie waren alle weit fort. Er war doch allein. Wenn doch erst der Mittag da wäre!

14
    Aber dann klingelt die Glocke viel zu früh. Nun muss er sich mit den andern hinausdrängen, Arne anbetteln, nun muss erwieder einmal erfahren, dass der Schritt bis zum Mittagessen so kurz nicht ist, dass noch drei Stunden vor ihm liegen, drei Stunden Mathematikarbeit, und er kann keine Mathematik!
    »Arne, steckst du mir die Lösungen zu?«
    »Jaja, natürlich.«
    »Wann?«
    »Nun, wenn ich fertig bin, so …«
    »Nein, nein, das geht nicht. Lieber Arne …«
    Franke drängt sich dazwischen. »Schütt! Goedeschal! Glaubt ihr, ich lasse mir das gefallen? Die ganze Klasse ist Zeuge. Indolenter Mensch hat er gesagt.«
    »Ach geh!«, murmelt Kai, »wir haben

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