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Der junge Goedeschal - Roman

Der junge Goedeschal - Roman

Titel: Der junge Goedeschal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Kuss, dem Vater auf die Stirn, der Mutter auf die Wange.
    »Guten Morgen, mein Junge. Nun, wo pilgerst du schon so früh hin? Wir hörten dich wie einen ruhelosen Geist über uns wandern.«
    »Störte ich euch? Verzeiht.«
    »Nein, nein, du siehst, deine Mutter ist beinahe schon in Gala.« Staatsrat Goedeschal sah seinen Sohn heiter lächelnd an. Der aber schien die Frage vorhin überhört zu haben, und so musste sie denn der Vater, schon gezwungener, wiederholen: »Und wo wolltest du jetzt hin, Kai? So leise?«
    »In den Keller. Zur Heizung.«
    »Aber …« Er besann sich. »Dazu ist doch der Heizer da!«
    »Er kann morgens so früh noch nicht.«
    »Und darum stehst du auf?«
    Schweigen. Der Vater wartete und sagte dann: »Ich werde mit dem Mann reden. Er geht um sieben Uhr zur Arbeit, da kann er ruhig vorher noch einmal vorbeikommen. Wofür bekommt er sein schönes Geld!«
    »Ich bitte dich, Papa …« Aber Kai schwieg schon wieder.
    »Nun, was denn?«
    »Ach nichts.«
    »Aber …«
    »Ja, wenn du es ihm sagst, machst du ihn nur wütend. Er kommt dann zweimal und bleibt doch wieder fort. Undschließlich platzt wie neulich ein Wasserstandsglas, und wir haben den Keller voll Wasser.«
    »Sehr richtig, sehr vernünftig«, und Staatsrat Goedeschal sah befriedigt lächelnd zu seiner Frau hinüber. »Aber deinen Morgenschlaf sollst du deswegen doch nicht verlieren. Weißt du was? –: du lernst Erna an. Das Mädchen kann das ruhig machen.«
    »Die findet nie mit den Hähnen Bescheid.«
    Der Vater wurde ungeduldig. »Es scheint dir doch sehr viel daran zu liegen, sonderbar.«
    »Mir? Gar nichts! Meinetwegen kann es Erna machen, ich reiß mich nicht drum, aber wenn was passiert, ich lehne jede Verantwortung ab.«
    »Verantwortung! Ich möchte wissen, wer dir welche übertragen hat!«
    »Wenn ich’s ihr doch zeigen soll!«
    »Junge …!«
    Aber Frau Goedeschal rief rasch und ängstlich: »Ich bitte dich, Heinz!«
    »Ja so. Was ich noch sagen wollte – du weißt wohl auch nicht, wo der Schlüssel zum leeren Kellerzimmer hingekommen sein mag?«
    »Nein. Ist der weg?«
    »Ich sagte dir’s schon, Kai«, warf die Mutter ein.
    »Ach so, ja. Nein, das weiß ich nicht.«
    »Nun, wir werden heute Vormittag zum Schlosser schicken, der kann einen neuen machen.«
    Der Vater sah seinen Sohn scharf an, aber der zuckte nicht.
    »Und nun noch eins, ich wollte dir schon immer eine kleine Freude machen. Dein Griechisch ist zwar nicht sehr vorzüglich. Was meinst du, wenn du einmal ins Theater gingst?«
    »Gern, sehr gern. Vielen Dank.«
    »Schon gut. Sei nur recht fleißig.«
    »Kommt ihr mit?«
    »Aber natürlich. Also übermorgen Abend: ›Die Räuber‹.«
    »Ich danke schön«, und Kai küsste seinen Vater. Dann rascher: »Es fällt mir eben ein … Nur so eine Vermutung …«
    »Nun, was denn? Sprich immer.«
    »Vielleicht hat der Heizer den Schlüssel, er sagte immer, es sei im Kohlenkeller zu nass fürs Holz. Ich werde mal mit ihm reden.«
    »Tue das, Kai. Also abgemacht. Du lernst heute und morgen Erna an, und wegen des Schlüssels redest du mit dem Manne.«
    »Und der Schlosser? Damit können wir dann wohl warten …«
    »Ja, natürlich. Solche Eile hat das ja nicht.«
    Kai ging.
    Staatsrat Goedeschal sah seine Frau an. »Siehst du, es ist gar nicht so schlimm. Man muss nur vernünftig mit ihm reden. Natürlich hat er irgendetwas unten im Keller. Wenn er zur Schule ist, schicken wir zum Schlosser, na, es wird schon nichts Schlimmes sein, irgend so eine Jungensdummheit. – Hattest du den Eindruck, dass er sich aufs Theater sehr freute?«
    »Eigentlich nein. Er fragte so komisch, ob wir mitkämen.«
    »Aber …!«
    »Du, was mir eben noch einfiel: ich sprach neulich auch mit Frau Schütt über Kai, sie mag den Jungen gern. Und sie hat so viel Erfahrungen mit ihren sieben. Sie meinte, es wäre Zeit, ihn aufzuklären.«
    »Aufklären? Nein. Ich habe ganz ausführlich mit seinem Klassenlehrer davon gesprochen. Die Jungen bekommen in der Oberprima die nötigen Mitteilungen durch einen erfahrenenMedizinalrat. Er bat mich dringend, dem nicht vorzugreifen. Und ich bin auch sonst dagegen. Warum sind die jugendlich Bestraften immer aus den unteren Volksschichten? Weil die Kinder dort sexuell aufgeklärt sind! Zu frühes sexuelles Wissen ist Verlockung, verleitet zur Haltlosigkeit, zur Genussgier. Und der Weg von da zum Verbrechen ist kurz. Nein, keinesfalls. Was heißt überhaupt Aufklärung! Was soll man dem Jungen sagen! Ich bin da ganz

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