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Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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gingen ins Leere, und der Major befahl sofort den Rückzug. Das Pulver war rar, nachdem der Feind den Nachschub geraubt und die Explosion den letzten Vorrat vernichtet hatte.
    Unruhige, mißmutige Stimmung herrschte in dieser Nacht bei der ganzen Truppe. Keiner schlief. Jeder war auf irgendeine neue Teufelei des entkommenen Häuptlings gefaßt. Adams erinnerte sich unwillkürlich an die Stimmung nach dem Mord an Mattotaupa, dem Vater Tokei-ihtos, im Blockhaus des Ben.
    Eine Stunde nach der anderen lief dahin, Adams und Thomas hatten eine doppelte Wachzeit bis zum Morgen übernommen. Der Farmersohn konnte seine Gedanken nicht zur Ruhe bringen. Vergeblich wollte er sich zwingen, alle Aufmerksamkeit auf das Gelände zu richten, in dem in der Finsternis nur zu leicht etwas unbemerkt vor sich gehen konnte. Es war ein eigentümliches Gefühl, wenn man der letzte einer Bande war, auf den die Rache und der Tod lauerten. Der letzte …? Red Fox selbst lebte noch, der Mörder. Aber er hatte sich in Sicherheit gebracht. Hier am Niobrara blieb Adams der einzige, der von den Goldsuchern übrig war. Er hatte unvorsichtigerweise dem Dakota gesagt, daß er sich das Goldsuchen immer noch nicht aus dem Kopf geschlagen habe. Nun gab es wohl keine Gnade für ihn.
    Adams lauschte und versuchte, die Dunkelheit mit den Augen zu durchdringen. Aber soviel wie ein Indianer konnte er auch jetzt noch nicht in der Finsternis erkennen. Es war ein Unterschied, ob man mit zwei oder mit zwanzig Jahren anfing, sich in diesen Künsten zuüben. Es blieb rings still und unbewegt. Nur die Gräser neigten sich im Nachtwind.
    »Sieh zu, daß du wieder auf deine Farm kommst«, fing Thomas plötzlich von neuem an. »Du weißt noch nicht, was das für ein Leben ist, als Knecht oder als ein Fallensteller in ewigen Schulden. Theo und ich, wir kennen das. Eine Schinderei ist das. Land muß man haben und Geld.«
    »Schweig!« antwortete Adams heftig.
    Thomas schwieg nicht. »Um dir endlich die Wahrheit zu sagen, Adam Adamson, dein Alter hat uns rausgeschmissen, nachdem wir zehn Jahre bei ihm geschuftet haben. Er hat kein Geld mehr, hat er gesagt, er muß auch Vieh verkaufen und alles zusammenraffen, damit er vielleicht doch noch zahlen kann. Deshalb sind wir zu dir gekommen. Jetzt weißt du es.«
    »Kann ich euch helfen? Ich bin auch nur ein armer Deuwel.«
    »Dann laß uns den Mund halten und auf die Indsmen schießen, bis uns selbst die Kugel trifft. Wir sind nicht besser als die Roten; ’s ist alles eins.«
    Das Gespräch war damit beendet. Adams dachte noch einmal an Tokei-ihto, vor dem sich alle fürchteten und gegen den man hier auf Posten lag. Auch Adams fürchtete die Feindschaft des Dakota, aber er konnte ihn doch nicht hassen.
    Zu oft hatten ihm Thomas und Theo, die ehemaligen Biberjäger und späteren Cowboys, von Harry Tokei-ihto und Mattotaupa erzählt, zu tief hatte sich ihm der Eindruck jenes Abends eingeprägt, an dem er zum erstenmal Harry begegnet war, der Abend, an dem Mattotaupa ermordet wurde. Tokei-ihto war jetzt imstande, den hochmütigen Blauröcken Respekt einzuflößen, und er hatte seinem Vater nach zwei Jahren eine Leichenfeier gehalten, die keiner, der sie erlebt hatte, so rasch vergessen würde. Das befriedigte Adams sogar bis zu einem gewissen Grad. Tokei-ihto wollte einen Mord bestrafen und sein Land verteidigen. So handelte ein Mann; Adams empfand die Feindschaft des Dakota wie eine Naturtatsache und Haß als sinnlos.
    Es wurde endlich Morgen. Warmes Frühstück gab es nicht. Alle Eßvorräte waren bei der Explosion mit vernichtet worden, und die Besatzung aß mit knurrenden Mägen von der eisernen Ration, die die ausrückende Truppe bei sich gehabt hatte. Der einzige, der wirklich gut speiste, war Tobias. Er hatte sich im Fluß Fische gefangen. Cate schaute aus einiger Entfernung sehnsüchtig zu, wie der Indianer seine Beute in heißer Asche röstete. Aber Tobias, der jeden befreundeten Indianer hätte mitessen lassen, war kein Kavalier gegenüber Kommandantentöchtern. Auch den letzten Fisch verzehrte er allein.
    Das Mädchen schlenderte weiter, und Adams beobachtete genau, wie sie mit den Brüdern Thomas und Theo zusammentraf. Die beiden Geiernasen freuten sich und knüpften sofort das auch von Cate gewünschte Gespräch an. Adams hörte zu, während er die übriggebliebenen Balken und Bretter für einen Notbau zusammensuchte. Er hatte zimmern gelernt.
    »Jetzt haben wir also nichts mehr zu essen?« erkundigte sich das

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