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Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Wasserloch führen?« fragte einer mit einem Stoppelbart.
    »Doch wahrscheinlich zum Fluß … das müßte man ausprobieren … ich glaube nicht, daß das hier Grundwasser ist! Mit der Pumpe mußten wir viel tiefer gehen.«
    »Zu dem Fluß?« zweifelte Thomas. »Hör mal, bis dorthin ist es ein paar Meter weit, und es hätte schon einige Arbeit gekostet, eine solche Wasserleitung herzustellen …«
    »Warum soll sich keiner die Arbeit gemacht haben? Ein solches Wasserloch ist sehr praktisch, wenn die Roten mit Feuerpfeilen angreifen und wenn zum Beispiel die Wasserfässer leer sind und sich keiner mehr aus dem Haus trauen darf.«
    »Stand denn das Blockhaus hier früher allein?«
    »Das stand allein. Hatte auch keine Palisaden.«
    »Dann lasse ich mir’s eher gefallen. Es muß mal einer tauchen und feststellen, ob man in dem Loch weiterkommt!«
    »Ja, das muß einer …« Adams schaute sich im Kreis um. Es zeigte aber niemand Lust zu dem Tauchversuch. Thomas lief umher und kam dann mit einem großen Stein zurück, den er an sein Lasso band. Er ließ den Stein in das Wasserloch sinken. Es war einige Meter tief.
    »Hm.«
    Die Männer standen entschlußlos umher. Es wurde schon Abend. Der Himmel spannte sich in violetten Tönungen vom Schatten des Felsengebirges am westlichen Horizont bis zum dunkelnden Osten. Das Wasser des Flusses schillerte im Abendschein.
    Die Wache auf dem Kundschafterhügel gab Zeichen. »Der Major kommt mit der Truppe zurück!«
    Das dumpfe Hufgetrappel der großen Reiterschar war durch den Boden schon zu hören. Nicht viel später tauchte Major Smith mit seinen Dragonern und Rauhreitern am jenseitigen Ufer auf, durchquerte die Furt und ließ die Truppe dann bei der zerstörten Station absitzen. Nur die Gegenwart des Majors oder auch eine atemverschlagende Wut hinderte die Soldaten, schon diejenigen Flüche auszustoßen, die ihnen beim Anblick des abgebrannten Forts auf den Lippen liegen mochten.
    Smith fragte kurz, und Adams berichtete ihm mit Schweißperlen der Verlegenheit auf der Stirn. Der Major ließ sich zu dem Wasserloch führen. Dann winkte er dem Kundschafter Tobias, der mit der Truppe wieder zurückgekommen war. »Hier – wir wollen ein paar Lassos zusammenknüpfen und dich ans Seil nehmen. Du tauchst und stellst fest, wohin das Loch führt – wenn du nicht mehr weiter kannst, zupfst du dreimal am Seil, dann ziehen wir dich zurück.«
    Die Rauhreiter verknüpften die Lassos, und Tobias gehorchte. Kopfüber sprang er in das Loch und war rasch ganz verschwunden. Der anhaltende Zug am Seil deutete an, daß er sich vorwärts bewegte. Nach einiger Zeit aber hörte der Zug auf, und Adams, der das Lasso durch die Hände laufen ließ, spürte das dreimalige Zupfen, das »Zurückziehen!« hieß.
    Tobias’ Füße erschienen zuerst wieder, dann schlüpfte seine ganze braunhäutige Gestalt aus der Wasserleitung heraus. Er hatte aufgeschürfte Schultern, hustete und spuckte Wasser.
    »Früher gute Leitung«, sagte er. »Führt zum Fluß. Jetzt viel Sand drin. Schwer durchzukommen. Eine Stelle sehr eng. Aber Gespenst schlüpft überall durch!«
    »Gespenst!« wiederholte Smith zornig. »Glaubst du, Tobias, daß ein Gespenst … na, wer soll denn dieses Gespenst schon gewesen sein … glaubst du, daß der Dakota durchgekommen ist? Wenn es ums Leben geht oder darum, unsere ganze Station niederzubrennen, bringt einer viel zustande!«
    »Dakota kommt durch. Ist geschmeidig und stark. Kann lange unter Wasser sein. Harry ist vom Fluß durch Leitung ins Haus gekommen, hat sich versteckt, Feuer gelegt und ist wieder zurück durch die Leitung in den Fluß.«
    »Er kommt durch!« rief Smith. »Er kommt durch, und seine Roten mit unserer Munition kommen auch durch, während wir uns hier mit dem Gaunertrick ihres Häuptlings befassen müssen. Der Kerl hat ganz genau gewußt, warum er auf unsere Station reitet und uns hier das Theater vormacht … nur um uns aufzuhalten, nur um uns abzuhalten von seinen Leuten, die mit der Munition nach ihren Jagdgründen durchbrechen! Er kommt durch, und wir stehen da mit leeren Händen vor der zerstörten Station!«
    »Hau«, grunzte Tobias, was ihm einen wütenden Blick seines Kommandanten eintrug.
    Leutnant Roach bat um die Erlaubnis, seine Meinung vorzutragen. »Einige Fragen gestattet?« begann er aalglatt und bemühte sich dabei, die boshafte Freude über den Mißerfolg des Kommandanten zu verbergen.
    Smith nickte.
    »Adams«, fing Roach an, »wenn ich recht

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