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Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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berauben sich auch untereinander.«
    »Vermögen die roten Männer gemeinsam Büffel zu jagen?« warf Chef de Loup ein.
    »Die Dakota miteinander, ja – aber wehe, wenn die Büffel über die Grenze zu den Pani oder den Siksikau ziehen.«
    Der Biber schien scharf nachzudenken und fuhr sich mit der Hand durch sein Kraushaar. »Die Watschitschun sind doch klüger als wir. Denn sie vermögen mit Gold etwas auszurichten, und wir haben Gold und vermögen nichts damit auszurichten. Warum kämpfen wir um unsere Jagdgründe? Laßt uns doch den Watschitschun Gold dafür geben und in Frieden leben!«
    Tokei-ihto sah seinen kraushaarigen Freund lange und finster an.
    »Tschapa hätte also das Gold Mattotaupas mit Paco Bacerico geteilt?«
    »Warum geteilt?« erkundigte sich der Kraushaarige.
    »Um es mit Erlaubnis des großen Vaters in Washington mit Bacerico zusammen aus der Erde zu holen.«
    »Nein – nein, nein, mit dem Äffchen und mit Red Fox kann ich mich nicht verbünden und nichts mit ihnen teilen, denn sie wollen nur betrügen. Aber ich gestehe dir, mein Häuptling, daß ich über diese Sache noch lange nachdenken muß. Erlaubt denn der große Vater in Washington den Dakota, so viel Land zu besitzen, wie sie Gold dafür geben können?«
    »Nein«, erklärte der Delaware, »er erlaubt es ihnen nicht, obwohl er es ihnen nach seinem Recht erlauben müßte. Er verfährt ganz anders. Er raubt das Gold und vertreibt die Dakota aus ihrer Prärie. Dann hat er beides, und die Dakota haben nichts. Sie müssen auf eine Reservation gehen und dem großen Vater danken, wenn er sie nicht verhungern läßt. Tokei-ihto allein könnte sich bei den Watschitschun ein Stück Land, auch Samen und Vieh kaufen; auch du allein könntest es, Tschapa, aber nicht der Stamm der Dakota, nicht ihr alle zusammen … nicht unter euren eigenen Häuptlingen.«
    »Dann werden Flinte und Schlachtbeil entscheiden, ob der große Räuber in Washington auch mit den Stämmen der Dakota so verfahren darf, wie er mit den Delawaren verfahren ist.«
     
     

 
Der junge Häuptling
     
    Zweimal hatte der Mond gewechselt, seitdem der Waffenschmuggel des Monito seinen überraschenden Abschluß gefunden hatte. Chef de Loup, der genesen war, hatte den Rückweg zum Fort angetreten. Er trug den Brief bei sich mit der Mitteilung, daß Tokei-ihto zu der Blockhausstation kommen und Verhandlungen mit Oberst Jackman aufnehmen werde.
    In leisem Fluß strömten die Wasser des Pferdebachs dem North-Platte zu. In den Weidengebüschen am Ufer zwitscherten Vögel. Die Fische sprangen und schossen durch die Flut. Am Mittellauf des Baches, in der nach Süden offenen Biegung, standen noch immer die Zelte, die den Familien der Bärenbande gehörten. Die Lederwände der Zelte waren bei der Wärme der Frühlingssonne fast alle aufgeschlagen, so daß das Innere der Behausungen dem Auge frei zugänglich war. In dem Zelt des jungen Kriegshäuptlings saß nur Untschida neben der Feuerstelle; ihre Hände waren in den Schoß gesunken, und ihre weisen Augen sahen über die Erscheinungen, die sie umgaben, hinweg in ein Land, das nicht allen zugänglich war.
    Wer Uinonah suchen wollte, mußte aus dem Dorf hinaus bachaufwärts gehen bis zu jener Stelle, wo der Bach sich ein wenig verbreiterte und von stärkerem Gebüsch und kleinen Bäumen umstanden war. Es war die Badestelle für die Frauen und Mädchen. Aber der Lärm und das Gewimmel der Schwimmerinnen war an diesem Tag schon verstummt und geschwunden, da die Arbeit bald nach Sonnenaufgang begonnen hatte.
    Uinonah stand allein am Ufer, gegen das Dorf gedeckt durch das Laub der Büsche. Sie trug ihr schönstes Gewand aus weißem Büffelfell, das ihr von den Schultern in Falten herabfiel; ihr schwarzes Haar – nur von einem Stirnband gehalten – reichte bis zum Saum des Kleides. Sie stand ganz gerade, mit herabhängenden Armen, den Kopf ein wenig erhoben, als warte sie. Ihr Blick ging in die Einsamkeit der heimatlichen Steppe. Aus den Büschen am Ufer trat Tokei-ihto. Kein Laut hatte seine Gegenwart oder sein Kommen verraten. Er blieb vor der Schwester stehen, und die Geschwister sahen sich wortlos an. Uinonah machte eine leichte Bewegung wie den Gedanken eines Versuchs, sich an den Bruder festzuklammern und ihn nicht fortzulassen, aber ihre Hände waren schon wieder gelähmt, ehe sie sich recht gerührt hatten.
    »Harka!« sagte sie. Sie sah sich selbst wieder als kleines Kind und den Bruder als Knaben. Damals schon war ihm keiner

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