Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
anlockten. Von Westen her grüßte die lange Kette des Felsengebirges. Der Zug hielt noch immer Richtung nach Nordosten.
    Der Capt’n mit Namen Roach trennte sich von dem Wanderzug und verschwand mit einem Teil der Truppe ostwärts. Die Prärie wurde trotz der herbstlichen Kälte in diesen Tagen immer lebendiger. Viele Patrouillen, Dragonerabteilungen, Kundschafter tauchten auf und verschwanden. Die Bärenbande begegnete den Spuren anderer Dakota-Abteilungen. Einzelne Wanderzüge, die sich der großen Wanderung in die Reservationsgebiete ebenfalls angeschlossen hatten, tauchten auf. Die Truppen verhinderten aber, daß die Wandergruppen untereinander Fühlung nahmen.
    Der Zug der Bärenbande erreichte einen kleinen Wasserlauf. Er war fast ganz versandet und ausgetrocknet. Die Männer, Frauen und Kinder litten nicht nur an Hunger, sondern auch an Durst. Die Mustangs lahmten vor Überanstrengung. Hawandschita war zusammengebrochen und mußte reiten. Mit Tränen in den Augen sah Mongschongschah, daß sie ihrem Säugling nicht mehr genug Milch geben konnte; der kleine Kinderkörper schrumpfte zusammen. Blitzwolke biß die Zähne zusammen. Nur nicht zeigen, wie ihr zumute war! Die Feinde sollten es nicht wissen, auch die Verräter nicht.
    In diesen Tagen verließ Red Fox die Truppe. Schonka, Tatokano und Rotflügel ritten mit ihm fort.
    Die Reservation sei erreicht, dolmetschte Tschapa Kraushaar. Eine Grenze konnte Blitzwolke nicht erkennen. Aber in der Ferne sah sie Holzhäuser. Dort sollte die »Agentur« sein. Blitzwolke lernte dieses neue Wort von Tschapa. Dort würde Red Fox künftig wohnen und als rechte Hand von Jones über Krieger der Dakota und ihre Frauen und Kinder gebieten.
    Mehrere Wanderzüge trafen sich jetzt in dem Sand- und Grassteppengebiet, in dem die Dakota siedeln sollten. Die Dragoner- und Rauhreiterscharen trieben nicht mehr zur Eile. Die Bärenbande rastete öfter. Die Pferde weideten hartes Gras. Die Hunde jaulten vor Hunger; viele wurden geschlachtet. Eine kluge graue Hündin merkte es und hielt sich immer dicht bei Uinonahs Schimmelstute. Der schwarze Wolfshund war verschwunden, seit Tokei-ihto nicht mehr zu seinem Stamm zurückgekehrt war.
    An einem Mittag, an dem grauweißes Gewölk das Blau des Himmels verdeckte und der Wanderzug wieder einmal zweifelnd hielt, sprengte eine Schar Dragoner von Südosten aus Richtung der Agentur heran. Blitzwolke schaute den Herangaloppierenden mißtrauisch entgegen. Die Truppe, bei der sich auch einige Zivilisten befanden, stoppte die Pferde, und es wurde ein lauter Befehl gegeben. Der Biber verstand die englischen Worte am raschesten, und er schrie laut auf: »Unsere Kinder! Verteidigt unsere Kinder!«
    Im Nu schloß sich die Schar der Frauen im Ring um die Kinder zusammen, wie Büffel und Mustangs, die ihre Jungen verteidigen wollen. Einige Männer faßten die Gewehre, für die sie keine Munition mehr besaßen, um mit dem Kolben zuzuschlagen. Andere hielten Messer, Schlachtbeil oder Keule bereit. Tschetansapa und Tschapa befanden sich an der Spitze der Schar. Blitzwolke und Eidechse standen inmitten des schützenden Rings, zusammen mit Tschaske und Hapedah. Die Knaben hatten Steine zur Hand.
    Die Dragoner ritten herbei.
    Der Anführer befahl, die Kinder herauszugeben. Ein Zivilist erläuterte, daß sie lesen, schreiben, den Acker bauen und beten lernen sollten. Mit lauten überzeugten Worten schilderte er die Vorzüge des Schulinternates. Als er geendet hatte, winkte der Leutnant wieder befehlend.
    »Solange wir leben, raubt ihr unsere Kinder nicht!« schrie Tschapa außer sich.
    »Verdammter Nigger!«
    Ein Dragoner hatte die Pistole gezogen und wollte auf den Krieger schießen, aber Tschetansapa sprang dazwischen und drehte dem Reiter die Pistole aus der Hand. Der daneben haltende Dragoner stach Tschetansapa das Armeemesser in den Kopf. Blutüberströmt brach der Dakota in die Knie. In dem gleichen Augenblick aber wankte der Dragoner, der das Messer gezogen hatte, im Sattel. Ein Stein hatte ihn an der Schläfe getroffen. Hapedah hielt schon den zweiten wurfbereit.
    Der Anführer der Dragoner, der keinen Widerstand erwartet haben mochte und nicht von Ehrgeiz gestachelt war, änderte seinen Befehl.
    Die Dragoner und die enttäuschten Missionare ließen von der Bärenbande ab. Sie ritten zu einem anderen Wanderzug, der in Sichtweite lagerte und dessen Männer und Frauen von den schnellen Vorgängen überrascht und überrumpelt waren und nicht an Widerstand

Weitere Kostenlose Bücher