Der junge Häuptling
Indianers war mit einer neuen, sorgfältig überlegten Fratzenmalerei in Schwarz, Blau und Weiß bedeckt. Während Bobby mit nacktem Oberkörper lief, hatte Jack über das Hemd sogar noch einen Poncho gezogen.
Jack lief voraus, und Bobby hielt sich in seiner Spur. Mit seinen langen muskulösen Beinen war der Indianer ein ausgezeichneter Läufer, und der Neger stand ihm innichts nach. Die beiden schlugen das Tempo schnell trabender Pferde an, das sie stundenlang durchhalten konnten. Zeitweise liefen sie voraus, um das Gelände zu durchspähen, durch das die Truppe reiten mußte. Pitt und Roach waren mit diesen beiden Läufern und Kundschaftern durchaus zufrieden.
Die frische Morgenluft strich über die hügelige Landschaft. Leutnant Roach genoß den Morgen in bester Laune. Er hoffte, bei Oberst Jackman, der mit dem Vater des Leutnants befreundet war, Erfolg zu haben. Überdies hatte er in Yankton Grüße an die Gattin seines unmittelbaren Vorgesetzten, Frau Jones, zu bestellen, und endlich wußte Anthony Roach, daß seine Verlobte, Cate Smith, die Tochter des Majors Smith, in Yankton eingetroffen war.
Yankton lag im südlichen Teil des Territoriums Dakota, nordöstlich des Missouri. Es war noch eine kleine Stadt und hatte erst mehr als ein Jahrzehnt später Aussicht, die Hauptstadt eines sich neu bildenden Staates zu werden. Die begüterten oder an politische und militärische Funktionen des Ehemanns oder Vaters gebundenenFamilien hatten sich in einem Viertel zusammen angesiedelt. In einem der Einfamilienhäuser dieses Viertels war man eben beim Abendessen. Die sinkende Sonne strahlte noch über den kleinen Garten, dessen Beete abgedeckt waren. Sie schien durch die blinkenden Fensterscheiben und ließ die Ausläufer ihrer Strahlen über das damastene Tischtuch, die Silberbestecke und das weißglänzende Porzellan auf dem Eßtisch gleiten. Zwei ältere Damen und ein junges Mädchen saßen an dem runden Tisch.
»Wie sehr freue ich mich für dich, liebe Cate, daß du deinen Verlobten hier sehen wirst!« Die Gastgeberin, Frau Jones, war beleibt, appetitreich, menschenfreundlich gestimmt.
»Wie reizend von Ihnen, daß Sie mir ein Wiedersehen mit Anthony möglich machen wollen«, antwortete das Mädchen und vergaß nicht, der zweiten älteren, weniger menschenfreundlich wirkenden Dame das Salzfäßchen zu reichen.
»Noch ist gar nichts gewiß!« bemerkte diese zweite Dame, die ihr faltiges Gesicht stark gepudert hatte. »Gewiß, Tante Betty«, antwortete das blasse junge Mädchen, »und ich werde standhaft sein, wenn ich die Enttäuschung erlebe, Anthony nicht wiederzusehen.«
»Standhaftigkeit ist mehr eine Sache für Männer, Cate«, tadelte die Tante.
»Ich würde es nicht für unwürdig halten, wenn du als junges Mädchen auch einmal mit einer Träne ein Gefühl verraten würdest. Du wirkst oft zu kalt.«
»Gewiß, Tante Betty, ich werde hierüber nachdenken.«
»Cate, sei nicht so ernsthaft!« rief die dicke Gastgeberin. »Wenn Herr Roach kommt, will er eine fröhliche Braut sehen! Und sei unbesorgt! Kann er nicht nach Yankton kommen, so lasse ich anspannen, und wir fahren nach Randall!«
»Um des Himmels willen!« Tante Betty wurde rot vor Schreck. »Doch nicht etwa durch die Prärie?«
»Die Strecke ist vollkommen sicher, liebe Kusine, und die Fahrt eine wahre Pracht! Wir haben ein neues Viergespann; wir fahren wie im Fluge!«
»Aber das können wir nicht annehmen, liebe Kusine …«
»Aber liebste Betty, es wird mir selbst das größte Vergnügen sein, eine solche Fahrt mit dem neuen Gespann zu unternehmen und meinen Mann auf Fort Randall zu überraschen! Ja, tatsächlich, er liebt solche Überraschungen sehr!«
Die Damen gingen zum warmen Pudding über. In der Gesprächspause, die dabei eintrat, horchten alle auf das Pferdegetrappel, das auf der staubigen Straße draußen zu hören war. Cate saß mit dem Gesicht gegen das Fenster und konnte auf die Straße schauen. Sie hatte diesen Platz eingenommen, weil hier die abendlichen Sonnenstrahlen die Augen besonders störten und der Platz daher von den beiden alten Damen gemieden war. Cate sah auf der Straße zunächst zwei Läufer vorübereilen, ehe die kleine Abteilung zu Pferde mit ihrem Leutnant erschien. In den Augen des jungen Mädchens stand noch ein ausgesprochenes Entsetzen, als Leutnant Anthony Roach sich draußen auf dem Rappen etwas herabbeugte und durch das Fenster herein grüßte. Der Leutnant schien leicht verwirrt, da er nicht wissen
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