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Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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bereitgestellte Büffelknochenmark und ein mit getrockneten Beeren untermischtes, gemahlenes Büffeltrockenfleisch gegessen. Die Mahlzeit bestand nur aus Fleisch in verschiedener Zubereitung. Der Boden des von Nord- und Sandstürmen heimgesuchten Hochlandes gab keine andere Nahrung her.
    Tokei-ihto nahm nach indianischem Brauch nichts zu sich. Seine ganze Aufmerksamkeit war den Gästen gewidmet. Als die Büffelrippen abgegessen waren, kam der Glanzpunkt des Mahles, das fette Hundefleisch, an die Reihe, das nur bei besonders feierlichen Gelegenheiten vorgesetzt wurde.
    Noch während die Gäste aßen, hatte Tokei-ihto die lange Pfeife von neuem gestopft und entzündet, und sie machte als Abschluß nochmals die Runde. Dann griff jeder nach dem für ihn bereitgelegten Tabaksbeutel und rauchte seine Pfeife. Die Gäste machten es sich dabei bequem und streckten die Füße zum Feuer. Die Schüsseln wurden von den Frauen abgeräumt, und das Gespräch der Männer kam in Gang. Im Mittelpunkt standen die Erlebnisse der Büffeljagd. Alle Anwesenden waren gespannt auf den Bericht Tokeiihtos über das Abenteuer mit dem Leitstier. Aber der junge Häuptling gab Tobias das Wort und bat ihn zu erzählen. Der Angesprochene verschwieg nicht, daß er vor dem Bullen geflohen war. Als seine Erzählung bei dem Eingreifen Tokei-ihtos anlangte, wurde er lebhaft und schilderte mit Feuer den ungewöhnlichen Kampf und seinen Ausgang. Das Wohlwollen der Zuhörer für den Berichtenden und ihre Bewunderung für den Häuptling wuchsen dabei zusehends.
    An Tobias’ Jagdbericht schlossen sich die Erzählungen der anderen Gäste an. Hundert Jagderinnerungen wurden dabei wach und gaben zu immer neuen Berichten von kühnen Taten und heiteren Geschehnissen Anlaß. Das Vergnügen an spannenden und an lustigen Jagdgeschichten war bei den Indianern nicht geringer als bei den Weißen. Der Unterschied, der dem Zuhörer besonders bewußt wurde, lag nur darin, daß die weißen Männer bei ihren Jagdgeschichten gern aufschnitten, während die Indianer die Wahrheit liebten, auch wenn sie auf ihre eigenen Kosten ging.
    Einer der jüngeren Gäste, Schlauer Biber oder auch Tschapa Kraushaar genannt, entpuppte sich als guter Erzähler. Er berichtete lebendig in Wort und Geste, wie er einen angeschossenen Büffel, der fliehen wollte, am Schwanz gepackt hatte, wie er von dem Tier zehnmal im Kreis geschleppt worden war, während er sich mit tollen Sprüngen vor den Hufen sicherte, und wie es ihm endlich gelungen war, des Büffels habhaft zu werden. Tobias Chef de Loup erinnerte sich, daß er diese einzigartige Jagdszene einen Augenblick lang beobachtet hatte. Das Lachen rings wollte lange kein Ende nehmen.
    Allmählich wurde das Gespräch auch ernsteren Dingen zugelenkt, und Tobias Chef de Loup spürte, wie ihn Sitting Bulls Blick immer häufiger streifte. Schließlich tat der Zauberer einen besonders langen Zug aus der Pfeife und sprach den Boten der Langmesser an:
    »Mein jüngerer Bruder bringt sprechende Papiere?«
    Der Kundschafter merkte aus der Frage, daß Sitting Bull durch Tokei-ihto schon unterrichtet worden war, und er erkannte zugleich aus der ehrenden Anrede »jüngerer Bruder«, daß der einflußreiche Mann einer Aussprache geneigt schien.
    Durch die Ehrung, die Tobias widerfuhr, wuchs er innerlich zum Partner seines Gegenübers.
    »Meine Augen sind glücklich, die Häupter der kühnen Dakotastämme zu sehen. Ich bitte die Häuptlinge, sich die Botschaft der Langmesser anzuhören.«
    »Die Häuptlinge der Dakota werden morgen im Zelt der Beratung die Botschaft ihren Kriegern bekanntgeben«, erwiderte Sitting Bull mit der ihm eigenen Würde, und er nahm die Briefe an sich, die Tobias ihm reichte.
    »Von welchem Stamm sind die Väter des Wolfshäuptlings?« fragte der große Geheimnismann dann den Kundschafter.
    »Meine Väter und Brüder gehören zum Stamm der Lenni-Lenape, die von den weißen Männern Delawaren genannt werden.«
    »Wo lebt dieser große und mächtige Stamm? Unsere ältesten Männer haben uns die Kunde aus dem Mund ihrer Väter und wieder deren Väter gebracht, daß der tapfere Stamm der Lenni-Lenape gegen Sonnenaufgang zu an der Küste des großen Wassers lebt. Ein sehr weiser Lenapehäuptling mit Namen Tamenund hat einen Vertrag mit den Watschitschun für ewige Zeiten abgeschlossen.«
    »Das ist wahr. Wir haben einen Vertrag mit einem weißen Häuptling geschlossen, und dieser und seine Männer hielten auch Wort.« Auch der Delaware zog

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