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Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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diesen großen Bären erlegt. Es war die letzte Beute, die mein Vater heimbrachte. Als er zu den Zelten zurückkam, fand er einen Gast in seinem Tipi vor mit Namen Red Fox, der ihn mit einem Zauberwasser begrüßte …«
    Der Erzähler brach ab. In seinen Augen blitzte der Haß auf.
    »Der Tag wird kommen …«
    Der Delaware spürte die dunkle Stimmung des Häuptlings und schwieg.
    Nur das Holz knisterte jetzt noch im Feuer, und die Flammen warfen ihren Schein in wandernden Flecken auf die hohen Lederwände des Zeltes und das herabhängende Bärenfell.Der Waffenschmuggler Im Zelt war es sehr still. Der Häuptling schien seinen Gast vergessen zu haben. Die Frauen kamen einmal wortlos aus dem Hintergrund, um die Spieße über dem Feuer zu drehen und die Scheite weiter in die Flammen zu schieben. Chef de Loup sann vor sich hin. Ihm schien, daß Uinonah an diesem Abend noch trauriger und verschlossener blickte als sonst. Die Erzählung des Häuptlings hatte an den Tag gerührt, mit dem ein Jahrzehnt von Unglück und Schande über die stolze Familie hereingebrochen war. Die Flämmchen leckten unter dem Spieß in dem Zelt, in dem einst Mattotaupa hatte Bärentatzen braten lassen für sich und für seinen Gast, der ihm viel Zauberwasser brachte.
    Chef de Loup schrak auf. Draußen war Unruhe entstanden. Der Zelteingang wurde aufgerissen, und Schwarzfalke erschien wieder.
    »Ha!« lachte er den Häuptling an, als Tokei-ihto ihm das Zeichen zu sprechen gegeben hatte. »Wir haben diesen Mann hergeleitet – diesen Mann –, aber Tokeiihto mag selbst sehen. Es ist der Vorbote Monitos. Wenn Monito ihm ähnlich ist – nun, so mag er uns alle seine Waffen verkaufen. Er selbst kann sie dann nicht gebrauchen! Will der Häuptling diesen Fisch, der an Land geraten ist, an seinem Feuer empfangen? Er ist eines Häuptlingszeltes nicht würdig!«
    Tokei-ihto überlegte kurz.
    »Weiß er etwas?«
    »Es mag sein.«
    »So führe ihn her.«
    Tschetansapa ging und kam gleich mit einem höchst merkwürdigen Wesen zurück. Chef de Loup hatte dergleichen in der Prärie noch nie erblickt und schaute von seinem Lager verwundert nach dem neuen Gast. Ein zwerghaft kleiner Mann war es, der hereingeführt wurde. Seine bunten, schmutzigen Kleider, die ein seltsames Gemisch von Eitelkeit und Geiz verrieten, stachen ab von der fahlen Blässe seines Gesichts. Der Kopf war groß, und der Schädel lud weit nach hinten aus. Von einer bedeutenden, gutgewölbten Stirn nahm eine spitze Nase ihren Ausgang, die weit über den Mund herabhing. Unruhig blickten die Augen in der Umgebung umher.
    Tschetansapa führte das Geschöpf bis zur Feuerstelle und bedeutete ihm, sich dort niederzulassen. Der aufgeputzte Kleine hockte sich auf den Boden. Sein ganzer Körper zitterte in Frostschauern.
    »Furchtbar ist die Prärie«, stieß er hervor. »Furchtbar! Wir sind seit drei Wochen unterwegs. Drei Wochen! Wir kommen aus dem Süden. Trotzdem war es kalt. Ich friere. Ich habe mich erbrochen! Ich bin nur noch die Hälfte meiner selbst. Ich verstehe nicht, warum Menschen hier leben. Mein Pferd ist ein Teufel!«
    »Das bedauere ich«, erwiderte Tokei-ihto kühl.
    »Der Watschitschun hat nicht immer die sanfte Stute geritten, mit der er hier in unserem Lager ankam?« erkundigte sich Tschetansapa.
    »Alle Götter! Sanfte Stute!« schrie der Kleine. »Ich hasse sie! Vorne beißt sie, und hinten schlägt sie aus, in der Mitte ist sie glatt! Wie soll man auf ihr sitzen?! – Wie macht ihr das eigentlich, auf euren wilden Hengsten immer oben zu bleiben?«
    Tokei-ihto lächelte.
    »Ich weiß es nicht«, sagte er aufrichtig.
    »Es würde mir schwer werden herunterzufallen. Auch würden sich meine Krieger darüber wundern.«
    »Das ist es, das ist es!« jammerte der Kleine, immer noch fröstelnd. »Ihr werdet mit euren vierbeinigen Teufeln geboren. Aber ich? Aber ich? Warum bin ich hierhergeritten? Geritten! Ich kann dir sagen, Häuptling Tokayer, oder wie du sonst heißen magst, es gibt Besseres in der Welt zu tun als zu reiten und zu schießen!«
    Der Dakota mochte darüber anders denken, aber er war zu höflich, um seinem Gast zu widersprechen. »Sind Menschen, die schießen, nicht nützlich«, fragte er nur, »da sie geneigt sind, von Monito Waffen zu kaufen?«
    »Monito?« rief der Kleine zornig. »Hüte dich, Rothaut, einen Mann, der dir Waffen bringt, ›Äffchen‹ zu schimpfen. Paco Bacerico kommt zu dir, verstehst du? Paco Bacerico!«
    Tokei-ihto hatte inzwischen eine kleine

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