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Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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mag zusehen, was er erreicht – mag er doch selbst zusehen!«
    Und der Kleine kicherte und meckerte weiter vor sich hin, so daß die Spitze seiner langen Nase über dem Mund zitterte.Der Delaware empfand geradezu Ekel, als er sah, wie das kichernde Geschöpf das umgelegte Fell wieder beiseite schob, zu dem Häuptling hinüberging und dem Dakota mit seinen langen Fingern zutraulich auf die Schulter klopfte.
    Der Häuptling hatte die Pfeife aus dem Mund genommen und betrachtete den Aufdringlichen wie eine Spinne, von der er noch nicht sicher wußte, ob er sie zertreten oder verscheuchen sollte.
    »Um die Wahrheit zu sagen – er hat mich gar nicht hier haben wollen!« flüsterte das Äffchen dem Dakota zu.
    »Er wollte das Geschäft allein machen. Zweihundert Gewehre hast du haben wollen, Häuptling Moskito? Ich kann dir dreihundert geben, dreihundert neue Armeegewehre und reichlich Munition dazu, verstehst du? Mein Name ist Bacerico! Dreihundert hat der Höllenhund gesagt, gib ihm dreihundert, er zahlt gut. Ich transportiere, sagte der Höllenhund, zahle dir bar und transportiere, nehme das Risiko auf mich – aber gib ihm dreihundert. Warum soll ich dreihundert geben? Der Höllenhund ist schlau, aber Bacerico ist noch schlauer. Dreihundert habe ich gesagt, gut, dreihundert, aber dann reit ich selbst mit – und wenn ich krepiere. Ich will wissen, was gezahlt wird! Gut! Ich gehe, habe ich gesagt, und ich bin gegangen. Aber er ist voller Zorn verschwunden und hat mich allein gehen lassen. Erst vor vier Tagen ist er auf einmal wieder dagewesen und hat sich aufgespielt, als ob die Waffen und die Prärie ihm gehörten. Ein Teufel ist er …!«
    Der Häuptling stand auf und entfernte sich so von den Spinnenfingern, die ihn berührten.
    »Dreihundert, gut. Welchen Preis forderst du?«
    Der Gefragte lachte kurz und schrill: »Das wirst du noch hören, Rothaut!«
    Chef de Loup schüttelte es innerlich. Das übliche Wucherspiel! Die Indianer, die selbst keine Feuerwaffen herstellen konnten, waren in Kriegszeiten auf Raub oder Schmuggel angewiesen. Der Verkauf von Waffen an die Roten war den Händlern von ihrer Regierung während des Indianerkrieges auf das strengste untersagt. Sie machten das verbotene Geschäft trotzdem und füllten ihre Taschen, indem sie alte, zum Teil unbrauchbare Waffen für Wucherpreise an die Indianer verschoben. Aber dreihundert neue Armeegewehre? Ein ganz großer Schwindel, dachte Chef de Loup – oder ein unerhörtes Geschäft. Welchen Preis wollte diese Spinne aus ihrem Opfer heraussaugen?
    Der Kleine ächzte schon wieder, hielt sich den Leib und rannte gleich darauf zum zweitenmal aus dem Zelt hinaus. Ohitika, der große schwarze Hund, bellte ihm wütend nach; er schien das Verhalten dieses neuen Zeltbewohners als nicht ordnungsgemäß zu empfinden. Als Monito von seinem Gang in die Nacht wieder zurückkehrte, schimmerte seine Nasenspitze grünlich. Auf einen Wink des Häuptlings kam Untschida herbei. Sie wickelte das Männchen in Decken und Felle und schob es wie ein Paket, aus dem nur noch der merkwürdige Kopf herausschaute, nahe zum Feuer. Der Häuptling rauchte schweigend. Er legte auf die Fortsetzung des abgebrochenen Gesprächs keinen Wert. Auch Monito sagte nichts und beschäftigte sich nur damit, die Decken und Felle immer enger um sich herumzuziehen. Schließlich gab der Häuptling, dessen Müdigkeit größer sein mochte, als er nach außen hin gestand, das Zeichen zur allgemeinen Schlafensruhe.
    Das Feuer wurde wieder gedeckt, die Lagerstätten wurden bereitet. Monito erhielt einen Dreifuß, von dem eine geflochtene Matte herabhing, als Rücken- und Kopfstütze.
    Chef de Loup schaute mit offenen Augen in die Dunkelheit. Das tagelange Liegen ließ ihn zu keiner rechten Müdigkeit mehr kommen. Seine Vorstellungskraft beschäftigte sich mit der Frage, die das Eintreffen des lächerlichen unheimlichen Äffchens und die Kunde von dem Mann mit der Maske aufgeworfen hatten. Von dem letzten konnte man frühestens am kommenden Abend durch Tschetansapa Näheres hören, denn er war nach den Berichten der Späher noch weit zurück. Ein sehr großer und schlanker Mann war es und erst seit vier Tagen bei dem Schmugglerzug …?
    Während der Delaware vor sich hin sann und die übrigen Zeltbewohner mit regelmäßigen Atemzügen bewiesen, daß sie Ruhe gefunden hatten, piepte auf einmal eine Stimme im Finstern.
    »He! Heda!«
    »Was ist?« fragte Chef de Loup zu dem Kleinen hinüber, da er dem

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