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Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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beiden Reitpferde, die von der Weide zurückgebracht und vor dem Zelt angepflockt waren, hatten zärtlich die Köpfe übereinandergelegt. Die eigenartigen rhythmischen Gesänge ertönten wieder.
    Tokei-ihto war noch immer nicht heimgekehrt. Uinonah und Untschida blieben auf. In verborgener Angst schienen sie auf den Ausgang des Kampfes und den Häuptling zu warten.
    Längst waren Stille und Dunkelheit im Lager vollkommen geworden, als endlich von ferne der helle Siegesruf ertönte. Die Frauen eilten hinaus, die Hunde jaulten. Bald darauf erlebte das Dorf den Einzug Tokeiihtos mit seiner kleinen Schar. Tschetansapa führte ein lediges Pferd, und Tschapa hatte den schwerverwundeten Reiter zu sich auf den Mustang genommen. Der Delaware konnte die folgenden Vorgänge nicht mehr im einzelnen erkennen.
    Tokei-ihto betrat, von dem freudebellenden Hund begleitet, sein Zelt. Auch an ihm waren die Spuren eines schweren Kampfes wahrzunehmen. Halb aufgelöst fiel sein schwarzes Haar über die nackten Schultern. Er war staubig und mit Blut bespritzt und blutete selbst aus einer Wunde am linken Oberarm. Der Häuptling kam sofort zu seinem Gast heran, begrüßte ihn auf dem Lager und erkundigte sich mit gleichmäßiger Höflichkeit nach seinem Befinden. Dann erst erlaubte er Uinonah, sich um seine eigene Verletzung zu kümmern.
    »Binde nur zu«, sagte er, »es war eine verirrte und lahme Kugel, die insFleisch ging. Ich habe sie mir herausgeschnitten.«
    Das Mädchen hatte eine breite Bastbinde bereit, die sie anfeuchtete und um den Arm legte. Im Trocknen schlossen sich diese Binden fest und unverrutschbar an. Sobald der Verband in Ordnung war, reinigte sich Tokeiihto von Blut und Staub und ließ sich am Feuer nieder. Er stopfte seine Pfeife, während Uinonah ein Stück Büffelfleisch an den Spieß steckte.
    Chef de Loup studierte das Antlitz des Dakota. Auch nach der Verwundung und den Anstrengungen der letzten Tage war an diesem Mann kaum ein Zeichen der Abspannung zu bemerken.
    Während der Braten zu duften begann, berichtete der Häuptling seinem Gast kurz von den Ereignissen. Er hatte mit seinen Kriegern eine Bande von Tramps im Reiterkampf von dem Weg zum Felsengebirge und vom Zeltlager abgeschnitten, sie zerstreut und getötet.
    »Es waren erfahrene Jäger«, schloß Tokei-ihto seinen Bericht. »Der Kampf war nicht leicht, aber auch die Beute ist nicht schlecht. Flinten, Revolver und Munition dazu.«
    Der Häuptling schluckte den Rauch der Pfeife, und seine Züge umdüsterten sich auf einmal. »Diese Watschitschun sind besiegt«, sagte er. »Wann aber werden die nächsten kommen?«
    »Die nächsten? Das weiß ich auch nicht zu sagen«, erwiderte Chef de Loup mit gepreßter Stimme. »Aber dieses eine weiß ich: Sooft Tokei-ihto auch einen weißen Mann vertreibt, so oft wird es einen ›nächsten‹ geben, der kommt – ihre Zahl ist ohne Ende, und jeder Kampf ist vergeblich, auch für einen so großen Häuptling wie Tokei-ihto. Selbst die Zaubermacht des Tatanka-yotanka wird die Langmesser nicht besiegen. Hawandschita irrt sich, und seine Geister betrügen ihn. Die Dakota siegen nicht. Warum kämpft Tokei-ihto und rät nicht lieber zum Frieden?«
    Der Kriegshäuptling sah den Delawaren an. Es schien erst, daß er wieder mit einem solchen schweigenden Blick das Gespräch abschließen wollte, aber dann sprach er doch.
    »Ich gehorche den Ratsmännern und gehe auf das Fort, um mit Jackman zu verhandeln. Was erwartest du noch mehr von mir? Und warum kämpfst du selbst, Chef de Loup, sogar an der Seite der Männer, die deinen Stamm vertrieben und gejagt und immer wieder vertrieben und gejagt haben? Kannst du es nicht lassen, die Büchse an die Wange zu nehmen und abzuziehen? Oder bist du so gierig darauf, auch die freien Dakota zu unterwerfen, nachdem die Delawaren unterworfen sind?« Die Frage war nicht mit Hohn, sie war mit forschendem Ernst gestellt.
    »Der Kampf ist der einzige Weg, auf dem ich selbst noch frei sein kann«, gab der Delaware dem Dakota und sich selbst Rechenschaft.
    »Auch die Dakota nehmen tapfere Männer als Kampfbrüder bei sich auf. Auch für die Dakota ist der Kampf der letzte Weg, frei zu sein. Noch nie war ein Dakotakrieger Knecht eines anderen – sollen wir jetzt die Knechte der weißen Männer werden? Bei uns würde Chef de Loup nicht dienen. Er wäre unser Bruder.«
    Der Delaware senkte die Lider. »Ich habe Samuel Smith Treue geschworen.«
    Der Ausdruck in den Zügen des Häuptlings veränderte sich

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