Der Junge im gestreiften Pyjama (German Edition)
eigentlich?«, fragte Schmuel, kniff die Augen zusammen und sah Bruno neugierig an.
»Aus Berlin.«
»Wo ist das?«
Bruno öffnete den Mund und wollte antworten, merkte aber, dass er sich nicht ganz sicher war. »In Deutschland natürlich«, sagte er. »Kommst du etwa nicht aus Deutschland?«
»Nein, ich komme aus Polen«, sagte Schmuel.
Bruno wirkte nachdenklich. »Und warum sprichst du dann Deutsch?«
»Weil du mich auf Deutsch begrüßt hast. Also habe ich auf Deutsch geantwortet. Sprichst du Polnisch?«
»Nein«, sagte Bruno und lachte nervös. »Ich kenne keinen, der zwei Sprachen spricht. Schon gar nicht in unserem Alter.«
»Mama ist Lehrerin in meiner Schule, von ihr habe ich Deutsch gelernt«, erklärte Schmuel. »Sie spricht auch Französisch. Und Italienisch. Und Englisch. Sie ist sehr klug. Französisch und Italienisch kann ich noch nicht, aber eines Tages will sie mir Englisch beibringen, weil sie glaubt, ich könnte es brauchen.«
»Polen«, sagte Bruno nachdenklich und wägte das Wort auf der Zunge ab. »Das ist nicht so schön wie Deutschland, oder?«
Schmuel runzelte die Stirn. »Warum nicht?«, fragte er.
»Na ja, weil Deutschland das größte aller Länder ist«, erwiderte Bruno und erinnerte sich an eine Sache, über die Vater mehrmals mit Großvater diskutiert hatte. »Wir sind überlegen.«
Schmuel starrte ihn an, sagte aber nichts, und Bruno verspürte das starke Bedürfnis, das Thema zu wechseln, denn noch während er die Worte gesagt hatte, kamen sie ihm irgendwie falsch vor, und er wollte keinesfalls, dass Schmuel ihn für unfreundlich hielt.
»Wo liegt Polen eigentlich?«, fragte er nach ein paar schweigsamen Sekunden.
»In Europa«, sagte Schmuel.
Bruno versuchte sich an die Länder zu entsinnen, die er in der letzten Erdkundestunde bei Herrn Liszt gelernt hatte. »Hast du schon von Dänemark gehört?«, fragte er.
»Nein«, sagte Schmuel.
»Ich glaube, Polen liegt in Dänemark«, sagte Bruno. Er war zunehmend verwirrt, obwohl er sich Mühe gab, möglichst klug zu klingen. » Das ist nämlich wirklich weit entfernt«, fügte er hinzu, um sich selbst zu bestätigen.
Schmuel starrte ihn kurz an, öffnete und schloss zweimal seinen Mund, als überlegte er sich sorgfältig seine Antwort. »Aber hier ist Polen«, sagte er schließlich.
»Wirklich?«, fragte Bruno.
»Ja, bestimmt. Und Dänemark ist sowohl von Polen wie von Deutschland ziemlich weit entfernt.«
Bruno stutzte. Vom Namen her kannte er all diese Länder, aber er konnte sie nur schwer auseinanderhalten. »Na schön«, sagte er. »Ist alles relativ, oder? Entfernung, meine ich.« Er hätte das Thema gern auf sich beruhen lassen, weil er allmählich glaubte, dass er völlig falsch lag, aber insgeheim nahm er sich vor, in Erdkunde künftig besser aufzupassen.
»Ich bin noch nie in Berlin gewesen«, sagte Schmuel.
»Und ich war, glaube ich, noch nie in Polen, bevor ich hierherkam«, sagte Bruno, womit er recht hatte. »Das heißt, wenn das hier wirklich Polen ist.«
»Ganz bestimmt«, sagte Schmuel ruhig. »Auch wenn es kein schöner Teil davon ist.«
»Nein.«
»Wo ich herkomme, ist es viel schöner.«
»Aber bestimmt nicht so schön wie Berlin«, sagte Bruno. »In Berlin hatten wir ein großes Haus mit fünf Stockwerken, wenn man den Keller und oben die kleine Dachkammer mit dem Fenster mitzählt. Und da waren hübsche Straßen mit Geschäften, Obst- und Gemüseständen und vielen Cafés. Aber wenn du irgendwann mal dorthin kommst, würde ich dir empfehlen, nicht am Samstagnachmittag in der Stadt herumzulaufen, weil dann viel zu viele Leute unterwegs sind und du von Pontius zu Pilatus geschoben wirst. Und es war viel schöner, bevor sich alles verändert hat.«
»Wie meinst du das?«, fragte Schmuel.
»Na ja, früher war es dort sehr ruhig«, erklärte Bruno, der nicht gern darüber redete, dass sich alles verändert hatte. »Und abends konnte ich im Bett lesen. Aber jetzt ist es manchmal sehr laut und gruselig, und wenn es dunkel wird, müssen wir alle Lichter ausmachen.«
»Wo ich herkomme, ist es viel schöner als in Berlin«, sagte Schmuel, der noch nie in Berlin gewesen war. »Alle sind sehr freundlich, und wir haben eine große Familie, und das Essen ist auch viel besser.«
»Tja, einigen wir uns darauf, dass wir uns nicht einigen können«, sagte Bruno, der sich mit seinem neuen Freund nicht streiten wollte.
»Gut«, sagte Schmuel.
»Forschst du gern?«, fragte Bruno nach einer Weile.
»Weiß
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