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Der junge Seewolf

Titel: Der junge Seewolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Frank
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auch die Garderobe der Herren war kostbar.
    Aber, so stellte David nach den Belehrungen der MacMillans in Gibraltar fest, die Damen waren noch ein wenig der Mode hinterdrein. Sie trugen noch schwere gold- und silberdurchwirkte Stoffe und noch nicht die leichte, fließende Mode der letzten Pariser Saison.
    »Nun, mein Herr, suchen Sie sich die schönste Tänzerin aus?« Als David sich umdrehte, sagte ein schwarzhaariger junger Mann: »Gestatten Sie, mein Name ist Fernando de Alvarez.«
    »Ich bin David Winter von Seiner Majestät Schoner Cerberus. Nein, mein Herr, ich verglich die Gesellschaft in Gedanken mit jener, die ich im Frühjahr beim Gouverneur in Gibraltar sah. Hier ist mehr Wohlhabenheit zu sehen, obwohl doch der Bürgerkrieg ausgebrochen ist und Flüchtlinge unter den Gästen sein sollen.«
    »Mr. Winter, die meisten Gäste sind Plantagenbesitzer, die schon unter der spanischen Herrschaft Reichtum angesammelt haben. Und die Flüchtlinge aus den Nachbarstaaten haben nicht nur ihr Geld und die Sklaven ihres Haushalts mitgebracht. Sie beziehen zum Teil auch noch Einkünfte von dort, denn die Patrioten beginnen erst sehr vorsichtig, das Eigentum der Loyalisten zu beschlagnahmen.«
    »Die Patrioten?« fragte David.
    »Ach ja, Sie nennen Sie Rebellen«, antwortete Mr. de Alvarez.
    Der Gouverneur bat zu Tisch, und de Alvarez sagte zu David: »Soweit ich weiß, wurde nur für die wichtigsten Gäste die Tischordnung festgelegt. Setzen Sie sich doch zu uns.«
    David hatte Fernando de Alvarez' Schwester Isabella als Tischdame. Ihr Bruder saß ihm gegenüber, und zu seiner Linken die blonde, etwas mollige junge Frau eines Plantagenbesitzers, die heftig mit ihrem Mann kokettierte, was sie nicht hinderte, auch David neckische Blicke zuzuwerfen.
    Isabella, eine schwarzhaarige spanische Schönheit, mit ihren sechzehn Jahren schon ganz Frau, musterte ihren Tischherren noch immer verstohlen, während sie mechanisch mit der gegenübersitzenden Dame über Belangloses plauderte.
    Sie sah einen gutaussehenden, gebräunten jungen Seekadetten von vielleicht sechzehn Jahren. Die Narbe am Scheitel hob sich hell ab. Das mittelblonde Haar war von der Sonne etwas ausgebleicht. Aus ovalem Gesicht blickten graubraune Augen prüfend und klug. Etwa fünfeinhalb Fuß mochte er groß sein, recht breit in den Schultern, und er hatte relativ kleine Hände und hübsche Fingernägel schloß Isabella ihre Musterung vorläufig ab.
    David hatte weniger Gelegenheit, seine Tischdame zu betrachten, denn ihr Bruder verwickelte ihn in ein lebhaftes Gespräch.
    Die Vorspeise wurde begleitet von den Fragen nach den Fahrten der Shannon und Cerberus. Isabella, hin und wieder mit Zwischenfragen beteiligt, stellte mit Erstaunen fest, was der junge Mann schon alles gesehen und erlebt hatte.
    »Und wir Frauen sehen kaum etwas von der Welt. Gerade Savannah habe ich vor einem Jahr mit meinen Eltern besucht. Aber mein Bruder, der wurde zum Studium nach Harvard geschickt. Ich finde das ungerecht!« klagte sie.
    »Meine liebe Schwester liest zu viele Schriften der französischen Aufklärer. Das macht sie als Frau zu aufsässig und klug«, scherzte ihr Bruder.
    Die Hauptgerichte, eine Fülle von Köstlichkeiten, wie David etwas nebenbei registrierte, wurden nun mit Informationen über die Familie de Alvarez garniert. Die Familie war seit über einhundert Jahren in Florida ansässig und hatte große Baumwoll- und Zuckerrohrplantagen.
    Der ältere Bruder lebte in Kuba. Isabella und ihre jüngere Schwester hatten einen französischen Hauslehrer, aber den jüngeren Sohn hatte die Familie in Harvard Rechtswissenschaft studieren lassen, damit er sich mit den Regeln der neuen britischen Herren besser verstand.
    Zum Nachtisch ließ Fernando dann mehr und mehr von den Auffassungen erkennen, durch die in Harvard viele Anführer des Aufbegehrens gegen England geprägt waren. Er wollte von David wissen, ob er den Widerstand gegen die englische Regierung für ein Unrecht halte.
    David bejahte überzeugt.
    »Aber wie können Sie das annehmen, Mr. Winter? Die britische Regierung enthält den Amerikanern die meisten Rechte vor, die den Bürgern in England selbstverständlich sind. Sie will die Kolonisten in einem Zustand der Unfreiheit halten, das ist gegen jedes Naturrecht.«
    »Mr. de Alvarez, ich bin kein Rechtsgelehrter, aber ich glaube nicht, daß die britische Regierung die Bürgerrechte mißachtet. In der Praxis mögen Fehler unterlaufen sein, über die man verhandeln oder

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