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Der junge Seewolf

Titel: Der junge Seewolf
Autoren: Adam Frank
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zweiten Mastteil von unten, wie Haddington erklärte. Darüber könne man die Bramstenge und die Oberbram – oder Royalstenge erkennen.
    »Aber bis du so hoch aufentern kannst, mußt du noch etwas Seebeine kriegen.«
    Vom Großmars hatten sie einen guten Überblick über das Schiff, das irgendwie geschmeidig durch die Wellen glitt. Auf dem Achterdeck gingen der Kapitän und der Erste Offizier auf und ab. Am Steuer standen der Rudergänger und sein Gehilfe. Der Master beugte sich über den Kompaß und richtete sich wieder auf, um die Stellung der Segel zu überprüfen.
    David blieb nicht unberührt von der Schönheit des Bildes und dachte, es könne wohl nicht so schlimm werden, wie ihm zunächst im dunklen Cockpit erschienen war.
    Haddington enterte nach einiger Zeit wieder ab und führte David hinunter in das stinkende Halbdunkel des Unterdecks. Er zeigte ihm, wo er seine Hängematte anzubringen habe, und demonstrierte, wie er mit beiden Händen am Haken anpacken und sich in die Matte schwingen müsse.
    Er lachte ungläubig, als David beim erstenmal auf der anderen Seite wieder hinunterfiel, inspizierte die Ausrüstung – »Deine Leute wußten wenigstens, was du brauchst« – und gab ihm Ratschläge, was er zu welcher Gelegenheit anzuziehen habe.
    Dann führte er ihn einige Schritte nach vorn und rief vor einer kleinen Kammer: »Mrs. Toller, hätten Sie einen Augenblick Zeit?« Der Vorhang wurde zurückgeschlagen, und eine dicke, kleine Frau erschien. Man konnte im Halbdunkel nicht erkennen, wie alt sie war.
    »Das ist Mr. Winter, ein neuer ›Captain's Servant‹, darf er Ihnen seine Wäsche bringen, wenn es nötig ist?«
    »Schon gut, schon gut«, murmelte sie, »die Herren werden auch immer jünger« und zog sich in ihre Kammer zurück.
    Sie sei eine Seele von Frau, erklärte Haddington, die einzige an Bord. Da sei der Kapitän unerbittlich. Ein Offizier habe das Schiff verlassen müssen, als sein Liebchen auf See entdeckt worden sei. Aber bei der Frau des Stückmeisters sei die Anwesenheit an Bord eine Art Gewohnheitsrecht, und sie kümmere sich um die Wäsche der Servants und Midshipmen.
    Der Abend endete mit rauhen Scherzen und derben Späßen auf Davids Kosten im Cockpit. Er schlang den Zwieback herunter, bekam ein hartes Stück Schweinefleisch hingeschoben und einen Holzbecher mit dem dünnen Bier. Als Mr. Morrison, der Cockpitälteste, seine Gabel in den Holztisch rammte, war dies das Zeichen für die Jungen unter fünfzehn Jahren, gefälligst zu verschwinden. David spannte seine Hängematte auf, legte Oberbekleidung, Schuhe und Hemd am Kopfende hin, spülte Hände und Gesicht in einer kleinen Schüssel ab, wie er es von den anderen gesehen hatte, und schwang sich in die Hängematte.
    Neben ihm sagte ein blonder Junge: »Ich bin Matthew« und fragte David dann gründlich aus.
    David antwortete, fragte zurück und wurde immer einsilbiger, als die Hängematte rhythmisch pendelte und das Ächzen und Krachen des Rumpfes eine gewisse Monotonie annahm und ihn nicht länger fürchten ließ, das Schiff werde jeden Augenblick auseinanderbrechen.
    So schlimm ist es auch nicht, wie manche gesagt haben, war sein letzter Gedanke vor dem Einschlafen.
    Als schrille Pfiffe und Gebrüll ihn weckten, wußte er zunächst nicht, wo er war. Er hatte von John, dem Hausdiener, geträumt, der ihn rief.
    »Raus mit dir, du Träumer!« schrie ihm Matthew zu, der schon Hemd und Hose anhatte.
    David glitt aus der Hängematte, griff nach seiner Hose, stieß mit dem rechten Fuß hinein, aber der kam nicht weiter und blieb im Hosenbein stecken. David verlor das Gleichgewicht und setzte sich auf den Hosenboden.
    Brüllendes Gelächter um ihn herum ließ ihn ahnen, was passiert war. Er knüpfte mit Mühe die Knoten auf, mußte die Prozedur bei dem Hemd wiederholen und war noch nicht gewaschen, als Mr. Haddington in ihrer Ecke erschien.
    »Na, unsere Jüngsten sind ja mächtig lustig heute früh. Und Mr. Winter hat das Tempo einer Schnecke. Beeilung, du Landratte!«
    Er zeigte ihm, wie die Hängematte mit den Schlafdecken eingerollt und verzurrt wurde, und David trabte mit den anderen auf das Geschützdeck, um die Hängematte in den Finknetzen zu verstauen.
    Dann eilten sie wieder in ihr Cockpit, wo sie ihr Zwieback erwartete, zu dem heute etwas Butter und Käse verteilt wurden. Die Jüngsten erhielten ein dünnes Schokoladengetränk, ›Babygrog‹, weil es der Ausgleich für die Rumration der älteren Midshipmen war.
    Mr. Haddington
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