Der junge Seewolf
Bord ihrer Schebecken, oder sie haben die Besatzung erschlagen und über Bord geworfen, was ich für wahrscheinlicher halte. Gehen wir nach oben, ehe uns der Schwefel-Pfeffergestank die Lungen verbrennt.«
Er wandte sich zwei Seeleuten zu, einer davon war William aus Dithmarschen: »Ihr seht nach, ob die Bretter zur Bilge fest sind. Sollte etwas lose sein, dann prüft, was darunter stecken könnte!« Dann ging er mit den anderen zum Niedergang.
William rief David in deutscher Sprache zu: »Nun, Mr. Winter, wie fanden Sie Ihr erstes Gefecht?«
»Furchtbar laut«, antwortete David, »aber sonst ging ja alles sehr schnell«, und wollte Mr. Grant folgen.
»Hilfe!« hörte er plötzlich eine helle Stimme deutsch rufen. »Helft mir bitte, zu Hilfe!« Die Stimme drang unter dem durchbrochenen Deck des Kabelgatts hervor.
»Wer ist da?« rief David. Er hielt seinen Säbel bereit, und William senkte die Muskete.
»Ich bin der Schiffsjunge. Ich habe mich hier versteckt, als die Piraten das Schiff enterten. Dann sind die Ankerkabel verrutscht, und das Brett geht nicht mehr hoch.«
David rief nach Mr. Grant und seinem Trupp, und gemeinsam konnten sie die Gräting lösen und einen durchnäßten, schlotternden, kleinen Kerl hervorholen. Warum er sich nicht früher gemeldet habe, fragte David ihn in Mr. Grants Auftrag.
Weil er die Sprache nicht verstand und nicht wußte, ob wieder Piraten da seien. Erst bei den deutschen Lauten habe er nicht mehr an Piraten geglaubt.
Mr. Grant ließ den Burschen an Deck schaffen, rief den Zimmermann, übergab dem Bootsmann vorübergehend das Kommando und kehrte mit David und dem Schiffsjungen zum Bericht an Bord der Fregatte zurück.
Der Kapitän fragte mit Davids Hilfe den Schiffsjungen aus und erfuhr, daß die Schnau vor vier Tagen von zwei Schebecken überfallen, geentert und die Besatzung niedergemetzelt worden sei. Da sei er in panischer Angst in das Versteck gekrochen, in dem die Seeleute gern Alkohol versteckten.
Auf Rückfragen meinte er, daß die eine Schebecke wohl zwanzig, die andere zwölf Kanonen gehabt habe, daß aber beide sehr stark bemannt gewesen seien. Zum Zeitpunkt des Überfalls wären sie etwa zehn Seemeilen vor der Küste gewesen.
Der Kapitän schickte den Schiffsjungen zum Arzt, entließ David und hörte sich den Bericht über den Zustand der Schnau an. Auf seinen Befehl ging Mr. Morsey, der Zweite Leutnant, mit einem Trupp Handwerker und einigen Seesoldaten an Bord der Prise, um sie wieder segeltüchtig zu machen. Das sollte bis zum nächsten Mittag zu schaffen sein, denn die Schäden befanden sich oberhalb der Wasserlinie und waren nicht so schwer, da vorwiegend Traubengeschosse und Kartätschen, aber keine Vollkugeln gefeuert worden waren. Die eigenen Verluste waren gering: vier Verletzte und nur einer schwer.
David mußte im Cockpit berichten, was er erfahren hatte, und merkte, wie wenig es Mr. Marsh paßte, daß er im Mittelpunkt stand.
»Spielt sich wieder auf, der Grünschnabel«, hörte er ihn brabbeln und sah zu, daß er aus seiner Nähe verschwand.
Der Kapitän saß mit dem Ersten in der großen Kajüte, und beide hörten dem Bericht des Schiffsarztes über die Verletzten zu. Die Piraten würden durchkommen, zwei Neger und ein Araber. Zu erfahren sei von ihnen kein Wort. Nein, in Eisen schließen könne man sie wegen der Verletzungen nicht.
Der Kapitän entschied nach kurzer Rücksprache mit Mr. Grant, daß eine kleine Kammer für Rumfässer geräumt werden müsse. Dort seien die Gefangene unterzubringen, Posten vor der Tür. Der Arzt könne dort nach ihnen sehen und sie für den Galgen pflegen. »Und hängen werden sie, sobald sie in Gibraltar sind.«
Kapitän Brisbane besprach noch mit dem Ersten, daß Mr. Morsey, zwei Steuermannsmaate und vierzehn Seeleute als Prisenbesatzung ausreichten. »Die Piraten haben die Segel nicht darum schlecht bedient, weil sie zu wenige waren, sondern weil sie nicht genug Erfahrung mit Rahsegeln hatten.« Man werde morgen mit der Marie Hinrichs nach Gibraltar segeln, denn allein könne man sie nicht losschicken, da vor der Meerenge mit Piraten zu rechnen sei.
Wahrscheinlich wollten die Piraten die Schnau auch nach Tanger oder an die Berberküste bringen, da es in Senegambien oder Guinea bei den vielen europäischen Niederlassungen wohl doch zu gefährlich wäre, die Ladung eines dänischen Sklavenschiffes oder gar dieses selbst zu verkaufen.
Die Shannon segelte in den nächsten Tagen mit der Marie Hinrichs im
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