Der junge Seewolf
reise! Alle Mann!« gellten die Schreie der Maate, und schlaftrunken stolperten die jungen Servants im Cockpit umher, säuberten sich notdürftig und verstauten ihre Hängematten.
Die älteren Cockpitbewohner sowie die Deckoffiziere und Offiziere mußten ihre Befehle schon in der Nacht empfangen haben, denn bald wimmelte es an Deck von hektischer Betriebsamkeit.
Mr. Marsh rannte mit dem bleichen Gesicht des verkaterten Säufers vorbei und zischte: »Dir zieh ich noch das Fell ab, du Ratte!«
Die bullige Figur des Bootsmanns John Rodger tauchte aus dem Gewirr auf: »Alle Captain's Servants die Boote zu Wasser lassen!«
Als sie an Tauen und Taljen hantierten, sammelte der Dritte Leutnant etwa zwanzig Mann um sich. Er strich sich eine blonde Locke aus dem Gesicht: »Herhören! Kennt ihr euch alle aus in Wald und Feld? Ich will keinen verdammten Städter in diesem Haufen haben! Lieber einen bestraften Wilderer als einen ehrlichen Schreiberling!«
David konnte sich keinen Reim darauf machen, mußte auch mit aller Kraft ein Tau fieren. Als er Mr. Bates' Truppe noch einmal sah, hatten sich alle dunkle Kleidung besorgt und stiegen mit Waffen und Enterdraggen in die Barkasse. William war unter ihnen, aber David konnte nicht mit ihm sprechen.
Alle anderen Boote pullten zwischen der Fregatte und der Schebecke hin und her. Bewaffnete Matrosen und Seesoldaten, diese aber ohne ihre Uniformen, kletterten an Bord der Schebecke. Von dort kamen Gefangene zur Fregatte und wurden ins Zwischendeck gestoßen.
Der Profos und seine Helfer nahmen den Kräftigsten die Oberbekleidung weg und legten die Piraten in Eisen. Die schwächeren und Leichtverwundeten wurden mit Tauen gefesselt. Der Bootsmann inspizierte jede Fessel.
»Alle Stunde wird kontrolliert! Doppelte Wachen mit Blunderbüchsen und Entermessern! Ablösung alle zwei Stunden! Beim geringsten Aufstand sofort schießen!«
Und er eilte zu einer seiner anderen, nie endenden Kontrollen weiter.
Als David dem Master eine Meldung überbringen mußte, sah er den Ersten, Mr. Grant, mit verbundenem Oberschenkel auf einen Stock gestützt, vor einem ärgerlichen Kapitän stehen. »Mr. Grant! Ich kann es nicht noch einmal sagen: Der Angriff auf die Landbasis der Piraten erfordert einen gesunden Mann, der gut laufen kann. Das ist Mr. Morsey. Ihr Auftrag, die Schebecke an den Landungsplatz zu bringen, ist wichtig und ehrenvoll. Sie und Mr. Hope werden all ihre Erfahrung dazu brauchen. Ich will nichts anderes mehr hören, sonst muß ich annehmen, daß Sie noch unter dem Schock der Verwundung leiden und Sie ins Lazarett schicken. Habe ich mich verständlich genug ausgedrückt?«
»Aye, aye, Sir«, antwortete Grant, hob die Hand an den Hut und humpelte davon.
An Bord der Fregatte blieb nur knapp die Hälfte der Besatzung, meist die Älteren und die weniger Erfahrenen. Außerdem alle Captain's Servants, die jetzt die Aufgaben von Maaten und Deckoffizieren erfüllten. Edward Simmons maulte, daß die anderen kämpfen dürften und sie die Gefangenen, die Kranken und Alten kommandieren müßten.
»Nur sachte, junger Herr!« sagte Jonathan Toller, der Stückmeister, mit der unmelodiösen Stimme des fast Ertaubten, »für jeden kommt die Stunde und für die Besten immer zu früh!«
Edward wandte sich achselzuckend und mit amüsiertem Gesicht zu David, als Matthew Palmer mit bedrückter Miene zu ihnen trat.
»Richard ist heute nacht gestorben, ohne wieder das Bewußtsein erlangt zu haben. Ich weiß es vom Maat des Segelmachers. Sie nähen auf dem Vordeck die Leichen in das Segeltuch. Um vier Glasen der Vormittagswache ist die Beisetzung.«
David wandte sich mit tränenden Augen ab.
Die Schebecke kreuzte zwei Seemeilen vor der Fregatte mühsam in dem leichten Wind zurück. Die Barkasse war in ihrer Nähe. Vier Glasen schlug die Schiffsglocke. Mr. Greg, ältester an Bord verbliebener Midshipman, meldete dem Kapitän die angetretene Besatzung. Fünf Bündel in weißer Leinwand lagen an Deck, ein sechstes lag auf einem Brett unter der Kriegsflagge, das kugelbeschwerte Fußende der See zugewandt.
Kapitän Brisbane nahm seinen Hut ab und gab ihn dem Läufer. »Mützen ab zum Gebet!«
Er schlug die Bibel auf und las die Verse aus der Offenbarung Johannis, die so oft über schweigende Decks gehallt waren: »Und ich sähe die Toten, beide, groß und klein stehen vor Gott: und die Bücher wurden aufgetan, und ein ander Buch ward aufgetan, welches ist des Lebens. Und die Toten wurden gerichtet, nach
Weitere Kostenlose Bücher