Der junge Seewolf
und ihre Erleichterung in Dankesbezeigung umsetzten. Hände schütteln machte Kapitän Brisbane nichts aus, aber daß seine Hände geküßt werden sollten, brachte ihn aus der Fassung.
Verstört sah er sich um und erblickte in David einen vorschriftsmäßig gekleideten Helfer: »Mr. Winter, bringen Sie Mr. und Mrs. MacMillan mit Tochter und Zofe in meine Kajüte, helfen Sie ihnen, sich zurechtzufinden, und sagen Sie dem Steward, daß er ihnen in jeder Weise behilflich sein soll!«
»Aye, aye, Sir!«
David lüftete seinen Hut vor der angesprochenen Familie, verbeugte sich und sagte »Zu Diensten, Mr. MacMillan, ihr Diener, meine Damen. Darf ich vorangehen, oder brauchen Sie eine Stütze?«
Nach der Enge des dreckigen Kerkers, nach Stunden der Todesfurcht vor der entmenschten Piratenbande erschien David den Befreiten aus einer anderen Welt zu kommen, einer Welt der Sicherheit, der Ordnung, des Geschmacks und der Kultur, die sie schon verloren geglaubt hatten.
Die kleidsame Uniform, die heute in keinem Gefecht gelitten hatte, stand dem gebräunten, mittelgroßen David gut. Sein schmales Gesicht, noch vom Leid über den Tod des Freundes geprägt, beeindruckte die Damen. Besonders Susan mit der Empfindsamkeit ihrer vierzehn Jahre glaubte einen Erzengel zu erblicken.
Niemand brauchte gestützt zu werden. David ließ die Familie in der Kajüte Platz nehmen. Der Steward schenkte ein wenig Port ein, für die Damen mit noch erträglichem Wasser verdünnt.
David beantwortete ihre drängendsten Fragen und erfuhr, daß Mr. MacMillan Beamter der Ehrenwerten Ostindischen Kompanie war. Auf dem Weg zum zweijährigen Heimaturlaub schlug ihr Ostindiensegler nördlich vom Kap der Guten Hoffnung im Sturm leck und traf erst lange nach dem Konvoi in St. Helena ein.
Die Familie scheute den langen Aufenthalt bis zur Schiffsausbesserung und nahm die kleine Postbrigg nach Gibraltar. Gerade anderthalb Tage vor dem Seegefecht waren sie von den Piraten gekapert worden.
Als David glaubte, nicht mehr von Nutzen zu sein, bot er den Damen an, Mrs. Toller, die Frau des Stückmeisters, für weitere Hilfe zu holen. Sein Angebot war willkommen, und begleitet von dankbaren Blicken zog er sich zurück.
Kaum an Deck, wurde David eingeteilt, beim Transport erbeuteter Waren und Papiere zu helfen. Er griff sich sein Entermesser und fuhr mit dem Kutter an Land. Die Mannschaften hatten am Ufer Säcke und Kisten angehäuft. Zwei Posten der Seesoldaten überwachten den Vorrat. Nach einigen Fahrten konnte das letzte Stück verladen werden.
Mr. Morsey ließ im Piratendorf Lumpen und trockenes Gehölz anhäufen, um das Nest in Brand zu stecken. Bootsmannspfeifen forderten die Mannschaft zum Sammeln an der Anlegestelle auf. Die zehn verwundeten Piraten warteten noch gefesselt auf ihren Abtransport.
Da erschien ein Toppgast aus Mr. Bates' Gruppe und meldete, daß hinter der nächsten Hecke ein Pferch mit dreißig bis vierzig gefesselten Negersklaven verborgen sei. Mr. Morsey befahl vier Seesoldaten und drei Matrosen zu sich, um die Sklaven zu befreien. Bald tauchte er wieder auf. Ausgemergelte schwarze Gestalten umdrängten ihn, warfen sich zu Boden, berührten seine Füße und zeigten gestenreich ihre Dankbarkeit.
Als sie aber die zehn Piraten am Ufer erblickten, änderten sie urplötzlich ihr Verhalten. Die Menge stöhnte dumpf, dann brach wildes Geschrei los. Wie von Sinnen stürzten sie auf die Gefesselten. Mit Nägeln, Zähnen, Steinen verwandelten sie die Piraten in blutigen Brei, ehe die Briten einschreiten konnten.
Mr. Morsey ließ über ihre Köpfe feuern, zog seinen Degen, schrie und fluchte. Die entfesselte Menge reagierte gar nicht. Sie rannte, humpelte, taumelte zum Piratennest und hackte und riß alles kurz und klein. – Morsey zuckte die Achseln: »Nichts zu machen! Alles in die Boote! Maate überprüfen die Vollständigkeit. Danach unabhängig zur Shannon zurückkehren!«
Kapitän Brisbane hörte ungeduldig Mr. Morseys Bericht. »Sie haben die Negersklaven in keiner Weise zu der Grausamkeit ermuntert und konnten sie nicht verhindern, wenn ich Sie recht verstehe?«
»So ist es, Sir.«
»Dann ist die Ehre unserer Fahne nicht befleckt, und ich sehe nicht ein, warum ich meine Gedanken noch an die Halsabschneider verschwenden soll. Mr. Lenthall liegt mir in den Ohren, daß wir so schnell wie möglich aus dem Fieberdunst heraussollen. Lassen Sie loten! Dann drehen wir das Schiff im Fluß. Warpanker am Bug und Boote am Heck!«
»Aye, aye,
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