Der Kaiser des Abendlandes
Lahab.«
»Nichts leichter als das«, antwortete Sean. »Der Brief wird aber mehr oder weniger den gleichen Inhalt haben wie der erste: ›Ich unterwerfe mich, aber vorher muss der Jude frei sein.‹ Was könnten wir sonst schreiben?«
Uthman und Joshua nickten bedächtig.
Suleiman legte den Arm um Seans Schultern und sagte: »Er will dich bald sehen, Sean. Er hat Großes mit dir vor, oder besser gesagt, mit Nicolaus. Aber ich ahne nicht einmal, was er wirklich will. Es wird wohl wieder eine seiner schrecklichen Listen sein.«
»Solange er mich nicht einkerkert, soll mir alles recht sein.« Sean blieb ungerührt. »Er wird sich tunlichst hüten, mir etwas anzutun, denn ich bin ja der Wesir des Kaisers.«
»Und damit unentbehrlich«, sagte Suleiman. »Es wird wohl morgen Abend oder übermorgen so weit sein. Ich werde allerdings nicht dabei sein, denn niemand erwartet mich sehnlicher als Mariam.«
»Es hat sich gezeigt, dass mein Arabisch gut genug ist für eine Unterhaltung mit deinem Vater«, erklärte Sean und nickte Suleiman verständnisvoll zu.
»Auch wenn es nicht reichen würde«, sagte Suleiman, »würde mein Vater Mittel und Wege finden, um dir genau zu verstehen zu geben, was er will.«
Sean nickte. Seine Studien konnte er in diesen Tagen und Wochen nicht fortführen. Was ihm blieb, waren lange, manchmal nächtelange Unterhaltungen mit Henri. Was wollte Abu Lahab von ihm? Wahrscheinlich überschätzte er Seans Bedeutung, aber er hielt ihn für den Wesir des Kaisers.
Sean packte Suleimans Handgelenk, schüttelte es und sagte: »Also werde ich morgen Abend deinen Vater besuchen und erfahren, welche Geschäfte er mit mir zu machen beabsichtigt.«
»Und ich werde Zeit für Mariam haben«, schloss Suleiman zufrieden.
Auf einem großen, niedrigen Tisch zwischen Abu Lahab und Sean standen mehr als drei Dutzend kleine Schalen, ebensolche zierlich geflochtene Körbchen, Becher und fingerhohe Gläser. In einem zusammengefalteten weißen Tuch lag ein Dutzend dünne, gebräunte Fladenbrote. Eine mindestens ebenso große Menge Kerzen und Öllampen umgab die beiden Polster und die zusätzlichen filigranen Tischchen, die auf dem Teppich standen. Warme Luft, angereichert mit dem Duft von Minze und Ingwer, zog über die Terrasse und entwich in den Garten. Sean formte aus einem Stück Brot eine Art Löffel und schöpfte einen hellroten Brei aus einem Näpfchen. Er war auf der Hut; jedes unbedachte Wort konnte Abu Lahab misstrauisch werden lassen.
»Dein Kaiser und du«, eröffnete Abu Lahab das Gespräch, »werdet ihr, nachdem ihr den weiten Weg aus dem Abendland hierher gekommen seid, im Reich der Mamelucken bleiben?«
Sean schluckte den Bissen hinunter und antwortete: »Das hängt von vielen unwägbaren Launen des Schicksals ab, o Effendi. Ich weiß nicht, was der Kaiser will, ob er als bekehrter Muslim zurück ins Abendland reisen möchte oder nicht.«
Abu Lahab beobachtete ihn lauernd, während er verschiedene Schälchen aufhob und mit einem Löffel rote, gelbe und grüne Paste auf das Brot häufte. »Was willst du? Musst du mit dem Kaiser zurückreisen?«
»Da gibt es bis zum heutigen Abend keinen Zwang. Vielleicht schließe ich mich einem Händler an, vielleicht bereise ich das Land und beschreibe es für spätere Reisende.«
»Dieses Haus, in dem du lebst, Nicolaus – sind die Ungläubigen dort so gastfreundlich wie wir Muslime?«
Sean zog den Kopf zwischen die Schultern und sagte: »Ich vermag keinen Unterschied zu erkennen, Abu Lahab. Vielleicht winzige Dinge. Kleinigkeiten.« Er begann die Falle zu ahnen, die Abu Lahab weit geöffnet hatte. »Die drei Männer sind alt und weise; ich habe als junger Mann schnell gemerkt, dass sie unendlich viel erlebt und daraus gelernt haben. Ihren Erzählungen zu lauschen ist ein reines Vergnügen.«
Eine Weile aßen und tranken sie schweigend und beobachteten einander. Sean dachte an Suleimans Warnungen und ließ sich die stark gewürzten Speisen ebenso schmecken wie das Hühnerfleisch und das Brot, in das gehacktes Lammfleisch eingebacken war.
»Hast du eine Frau? Eine Familie? Kinder?«, fragte Abu Lahab.
Sean schüttelte den Kopf. Wollte ihm der Schwertschmied etwa Mariam anbieten? Ein ungeheuerlicher Verdacht kam ihm.
»Ich bin allein«, entgegnete er lächelnd. »Auch im Abendland habe ich weder Weib noch Kind. Ich bin niemandem verpflichtet. Willst du mich mit deinen Schwertern und Dolchen durch die Welt schicken?«
»Darüber lässt sich
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