Der Kaiser des Abendlandes
gründlich überlegen.«
Seans Gedanken überschlugen sich. Schweigend sah er im Geiste, wie Trug, Listen und Gerissenheit wirre Spiralen bildeten, und er erkannte, dass sowohl Abu Lahab als auch sein Freund wahre Meister der Täuschung waren.
Bevor er völlig verwirrt wurde, hob er die Hand, deren Finger leicht zitterten, und sagte gezwungen ruhig: »Du willst sicherlich den Schluss, das Ende, des Schreibens erfahren, o Vater meines neuen Freundes?«
»Das will ich meinen.«
»Also. Ich lese vor: Wir Christen, o muslimischer Heldenvater, sind geradeheraus und sagen: So ist es, so ist es nicht. Ja ist Ja, und Nein ist Nein. Ränke sind mir fremd. Wenn du dich zum Herrscher über Jerusalem machen willst, so soll dies nach deinem Willen geschehen. Ich werde in diesem Fall nur über die wenigen Christen herrschen und über ihre Helfer, die Juden. Ich lege die Berichte über das, was du tust, wie du handelst, in die Hände deines Sohnes und dessen Freundes Nicolaus, denn die jungen Männer, überschwänglicher als wir klugen Greise, sind wie Zwillinge in meinen Augen.« Sean machte eine Pause und hielt das Pergament hoch. »Noch ein, zwei Sätze, o Vater meines neuen Freundes.«
Die Buchstaben schienen auf dem durchscheinenden Blatt vor dem flirrenden Licht der vielen Flammen einen verzweifelten Tanz aufzuführen.
»Sprich! Lies vor!«, sagte Abu Lahab brummig. Die Forderungen des Kaisers schienen ihm unbehaglich zu sein.
»Von deinem Sohn erfuhr ich von dem Haus, das dem Sohn eines Sarazenen gehört, der uns Abendländern viel Leid zugefügt hat. Die Zeiten haben sich geändert, die Jahre des Schreckens sind vorüber. Nicolaus soll bei den Juden und Christen in diesem Haus unbehelligt leben, und in deinem Haus soll er ein wohlgelittener Gast sein. Amen.«
Suleiman beugte sich zu Sean hinüber und sagte: »Und nun lies den letzten Satz. Wir sind müde, schmutzig und hungrig, Vater. Noch einen Becher, und der Dschinn des Alkohols tanzt in unseren Köpfen. Zudem wird es bald Nacht!«
»Sofort«, sagte Sean. »Amen. So sei es. Bald wird der Kaiser dich besuchen, o Abu Lahab. Er ließ schreiben: Dies alles schrieben Suleiman, Nicolaus und deine Dienerin Layla. Ich verneige mich tief vor deiner klugen Bitte. Wenn ich mich dem Islam unterwerfe, soll es nicht vor dem Antlitz Tausender geschehen, sondern nur vor den Augen der wichtigsten Mullahs. Bis zu diesem Tag, deinem Triumph, werden wir unsere Absichten unter den Mänteln unseres gegenseitigen Vertrauens verbergen. Dies hat Ludovicus, Kaiser des Abendlandes, schreiben lassen und besiegelt. Im Namen deines und meines Gottes. Allahu akbar. Gott ist groß. Allah ist nicht geringer als Jesus Christus.«
Sean reichte das Pergament über den Tisch. Abu Lahab betrachtete es schweigend und nickte. Während Sean zum letzten Mal die hebräischen Schriftzeichen betrachtete, machte Abu Lahab eine zustimmende Geste. Seine Hand hob und schob sich Suleiman entgegen.
»Bringe Wesir Nicolaus in das Haus jenes Muslim, dessen Existenz in unserer Stadt ein Ärgernis darstellt.« Er wandte sich an Sean. »Heute Nacht werdet ihr beide ausschlafen müssen, wackere Reiter, denn morgen müssen wir lange miteinander reden. Du hast mich nicht enttäuscht, mein Söhnchen.«
Suleiman trank den letzten Schluck aus seinem Becher und stand auf. Die Flammen der unzähligen Kerzen tanzten wild und spiegelten sich in den vielen herumliegenden Schwertern und Dolchen.
»Nicolaus und ich«, sagte Suleiman und deutete auf Sean, der die Ledertasche verschloss und Abu Lahab reichte, »machen uns jetzt also zum Haus des Muslims auf. Nicolaus kann dort zwischen Juden und Christen lange, tief und ungestört schlafen, und ich bringe sein Pferd in unseren Mietstall.«
Abu Lahab senkte den Kopf, presste seine Handflächen auf den Tisch, stemmte sich halb in die Höhe und murmelte: »Inshallah. Bevor wirklich wichtige Dinge geschehen, reden wir beide.« Er winkte Sean. »Dir, Christ Nicolaus, werde ich das eine oder andere Angebot machen können. Es ist keines darunter, das du wirst ausschlagen können.«
Sean stand auf. »Auch ich habe noch vieles mit Euch zu bereden, Abu Lahab. Aber nicht heute. Und morgen auch nicht.«
»Ich geleite euch zu den Pferden«, sagte Abu Lahab. »Wir stehen am Anfang wirklich großartiger Dinge, prächtiger Jahre und erstaunlicher Entwicklungen. Ich stehe im Mittelpunkt, und ihr werdet neben mir stehen, zu meiner rechten Seite!«
Sean gähnte und wartete müde, bis man ihm
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