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Der Kaiser des Abendlandes

Der Kaiser des Abendlandes

Titel: Der Kaiser des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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nachdenken. Vielleicht sendet mir Allah einen Rat. Außer mit Schwertern kann man mit vielem handeln, o Nicolaus.«
    »Wahr gesprochen«, sagte Sean. »Ich als junger christlicher Ritter verstehe kaum etwas vom Handel. Außer dass man billig einkaufen und teurer verkaufen muss, um erfolgreich zu sein.«
    »Der erste Schritt auf dem Weg des klugen Handels ist, sage ich, nicht nur für euch Christen ein gutes, junges, schönes und gehorsames Weib«, sagte Abu Lahab. »Ich habe von der Schönheit eurer Frauen gehört«, antwortete Sean. »Und auch davon, dass ihr die Schönheit hinter vielen Schleiern und Gewändern versteckt. Wie könnte ich mir eine Frau aussuchen, wenn ich sie nicht einmal ansehen darf?«
    Abu Lahab grinste und füllte zwei silberne Becher mit Wein, der nach Muskatnuss und Nelken roch.
    »Wir Muslime vertrauen dem ehrlichen Wort der Eltern der Braut. Überdies sind Mädchen und Frauen wohlfeil; viele kann man als Sklavinnen kaufen, und dann darf man sie so sehen, wie Allah sie zu unserem Wohlgefallen geschaffen hat.« Nach einigem Nachdenken setzte er hinzu: »Meist sagen die Eltern die Wahrheit. Nun, inshallah! – aber du als Christ kannst in Jerusalem auch viele Christinnen finden. Sie sind unverschleiert und zeigen sich jedem.«
    »Ich deute dein zuversichtliches Lächeln so, o Effendi, dass du eine Christin kennst, die du mir nahe bringen willst?«
    »Ich kenne Dutzende Christinnen. Junge und alte, schöne und hässliche. Und solche, bei deren Anblick dein Herz dahinschmelzen würde.«
    Sean setzte sich aufrecht hin und nippte am Wein. »Wie kann ich diese trefflichen Schönheiten finden?«
    »Wenn du mit mir durch die Stadt gehst und die Augen offen hältst.«
    Sean zog es vor, sich die Antwort lange zu überlegen. Ein ungeheuerlicher Verdacht begann in ihm zu reifen. Je länger er darüber nachdachte, desto klarer erschien ihm Abu Lahabs Absicht. Bald würde der zukünftige Freund des Kaisers damit anfangen, ihn zu umgarnen, und am Ende seiner Vorschläge stand – wahrscheinlich – das Angebot, ihn mit Mariam, der zukünftigen Braut seines Sohnes Suleiman, zu verheiraten.
    Zur selben Zeit saßen Mariam und Suleiman zusammen und redeten über ihre Zukunft. Abu Lahab kannte den Namen der Christin Mariam, und sicherlich hatte Suleiman von ihrer Schönheit gesprochen. Aber wusste Abu Lahab mehr? Kannte er das Haus, in dem sie lebte? Hatten Abdullah und Hasan inzwischen alles herausgefunden?
    »Allahu akbar«, sagte Sean schließlich. »Über diese Wendung des Schicksals werde ich nachdenken. Eine christliche Braut in Jerusalem, ein Haus, in dem ich leben und erfolgreich handeln kann, dein Wohlwollen, o Effendi, die Freundschaft deines klugen Sohnes – dein Land und du, ihr überschüttet mich mit Wohltaten.«
    »Allah liebt die Großzügigen und holt sie in sein Paradies«, sagte Abu Lahab selbstbewusst. »Aber nun sollst du mir berichten, welch ein Mensch dein Herr, der Kaiser des Abendlandes, ist.«
    Sean hielt sich an den Rat der Freunde und schilderte die Eigenschaften, das Aussehen und einige der kühnen Taten seines ehemaligen Herrn und Ziehvaters Henri. Er hütete sich, ins Schwärmen zu verfallen, denn es konnte durchaus passieren, dass sie zusammentrafen – Henri und Abu Lahab.
    »Du berichtest, dass der Kaiser ohne seinen Hofstaat gereist ist, dass er ein einfaches Leben führt und genügsam ist? Jeder Emir scheint in seiner Umgebung größeren Prunk zu entfalten«, antwortete Abu Lahab fast vorwurfsvoll, lehnte sich zurück und klatschte in die Hände.
    »Wir Christen, die du Ungläubige nennst, halten es anders. Wir sind zahlreich wie Heuschrecken oder Sandkörner«, sagte Sean und sah, dass sich aus der Dunkelheit des Harems eine Gestalt löste und über die Teppiche der Gartenterrasse huschte. Er blickte genauer hin und erkannte die Ringe an Laylas Zehen wieder. Er stotterte fast, als er fortfuhr: »Unsere Könige leben in großem Reichtum. Aber der Herr aller Könige braucht keinen Prunk, keinen Pomp und keine goldbestickten Mäntel. Wenn er ruft, scharen sich Tausende und Abertausende in glänzenden Waffen um ihn.« Er senkte verschwörerisch die Stimme. Abu Lahab, der begeistert zugehört hatte, beugte sich zu ihm herüber und winkte die verhüllte Dienerin heran. Sean flüsterte fast, als er fortfuhr: »Er ist nur mit wenigen Getreuen im Land der Muslime. Er will und darf nicht auffallen. Das gilt so lange, bis er zu deinem Glauben übergetreten ist.«
    Abu Lahab drehte den

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