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Der Kaiser des Abendlandes

Der Kaiser des Abendlandes

Titel: Der Kaiser des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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Kopf und sagte, an die Dienerin gewandt: »Bring Süßspeisen. Scherbet und all das andere. Und neuen Wein. Und kümmre dich um die Kerzen, die meisten sind heruntergebrannt.«
    »Sofort, Effendi«, antwortete die Verhüllte.
    Kein Zweifel; es war Layla. Sean erkannte jetzt auch ihren Duft. Innerlich zitternd wagte er laut zu sagen: »Ein Beispiel dafür, Abu Lahab, worüber wir geredet haben. Ich bin überzeugt davon, dass sich unter den dunklen Stoffen und dem Schleier eine eurer Schönheiten verbirgt. Du wirst es schwer haben, den Kaiser von den Vorzügen des Islam zu überzeugen. Ich beneide dich nicht um diese Aufgabe, o Herr von abertausend damaszenischen Schneiden.«
    »Niemand hat es schwerer als ich«, bekannte Abu Lahab mit Grabesstimme und einem schweren Kopfnicken.
    Layla sammelte die leeren Schalen ein, rief drei, vier Worte ins Dunkel hinter sich und entfernte sich. Drei Dienerinnen stellten frische Kerzen auf und füllten den Ölvorrat der Lämpchen nach. Zum ersten Mal begriff Sean, dass er sich schon den ganzen Abend lang auf Arabisch unterhalten und offensichtlich keinen größeren Fehler gemacht hatte. Suleiman sollte ihn so sehen!
    »Ich ahne es. Die Last großer Verantwortung drückt deine Schultern zu Boden, Effendi Lahab«, murmelte er und hoffte darauf, dass Layla bald wiederkommen möge. »Wir haben viel beredet. Unsere Vorhaben sind so gewaltig, dass wir viele Nächte darüber schlafen müssen. Aber du hast mir in deiner unermesslichen Großzügigkeit die Augen für die Schönheit vieler Überlegungen geöffnet.«
    »Das will ich meinen, Nicolaus!« Abu Lahab sah zu, wie Layla die Dienerinnen beaufsichtigte und gleichzeitig neue Schüsseln und Schalen auf den Tisch stellte, gefaltete Tücher bereitstellte und ein silbernes Becken voller Rosenwasser herantrug. »Du würdest eine Christin zur Frau nehmen, wenn ich sie dir bringe und wenn sie Gnade vor deinen blauen Augen findet?«
    Sean wand sich innerlich und verfluchte den Schwertschmied. Mehr an Layla als an Abu Lahab gerichtet, erwiderte er zögerlich: »Ich bin noch viel zu jung, o Effendi, um mich schnell entscheiden zu können. Lass uns diese Vorschläge und Hirngespinste gebührend lange überdenken. Bis dahin werde ich versuchen, tollkühn, wie ich bin, mehr als einen Blick hinter die Schleier eurer Schönen zu werfen.«
    »Das könnte dich teuer zu stehen kommen«, sagte Abu Lahab warnend und hob in einer beschwörenden Geste die ringgeschmückte Hand. Sean verbeugte sich und sog gierig den Duft der Süßspeisen ein.
    »Nur der gewinnt, der etwas wagt. Wie sagt dein Sohn? Allah ist mit denen, die das Undenkbare denken. Auch deine Reden im Souk, in den Basaren und auf den kleinen Marktplätzen zeugen von großer Kühnheit. Du und ich – wir wissen, was geschehen soll. Aber noch ist nicht sicher, dass alle unsere Wünsche wahr werden – inshallah!«
    »Wie Allah will«, wisperte Layla hinter dem Schleier. Ihre schwarzen Augen blitzten und funkelten Sean an. Dann verbeugte sie sich und verließ den hellen Bereich um den Tisch.
    Das Gespräch der beiden Männer dauerte bis weit nach Mitternacht. Abu Lahab erwies sich als vorbildlicher Gastgeber: Abdullah wartete mit zwei Pferden und zwei Fackeln auf Sean und geleitete ihn schweigend zu Uthmans Haus. Anschließend nahm Sean die Fackel und die Zügel aus den Händen, verneigte sich und trabte durch die dunklen Gassen der Stadt gemächlich davon.
     
     
    Suleiman zog die schwarze Kapuze tiefer in die Stirn und stützte dann sein Kinn in die Handfläche. Seine Blicke hatten sich auf die dunkle Fläche eines Platzes geheftet, der schon im tiefen Zwielicht der langen Schatten lag. Dächer, Mauern und Türme der Häuser und die Kuppel des Doms leuchteten in den Strahlen der sinkenden Sonne.
    Suleiman hüstelte, stieß Sean leicht mit dem Ellenbogen an und fragte: »Haben dich die Versprechungen und Ideen meines Vaters überzeugt?«
    »Nun«, antwortete Sean ausweichend, »er hat unendlich viel geredet und im Grunde wenig gesagt. Er sprach viel vom florierenden Handel und von schönen Christinnen in Jerusalem.«
    »Etwa von Mariam?«, wollte Suleiman wissen.
    Zuerst schüttelte Sean den Kopf, dann zuckte er mit den Schultern, holte tief Luft und sagte: »Er sprach ihren Namen nicht aus. Ich kann mich irren, aber während er mir die Vorzüge der Christinnen schilderte, musste ich unentwegt an sie denken. Und er dachte wahrscheinlich ebenso eindringlich an dich und an deine verbotene

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