Der Kaiser des Abendlandes
begehrt? Bist du ganz sicher?«, wiederholte Abdullah. Hasan schrak hoch, richtete sich auf und lehnte sich gegen den Rand des Beckens.
»Ich bin sicher. Ich habe überall gefragt. Sie heißt Mariam Dentrevez. Ihr Vater handelt mit Papier, Pergament und anderen Dingen.«
»Und du hast Mariam und Suleiman niemals zusammen gesehen?«
»Nein. Nicht ein einziges Mal. Ich hab ihn immer nur hier und dort gesehen, irgendwo in der Stadt, meistens beim Haus seines Vaters.« Hasan gähnte wieder, tauchte unter und wischte sich das Wasser aus dem Haar. »Aber niemals dort, wo Mariam wohnt.«
»Er ist also wirklich unsichtbar, wenn er nicht gesehen werden will«, murmelte Abdullah anerkennend. »Du wirst in den nächsten Tagen wieder dieser Mariam auflauern. Merke dir die Tage, an denen sie den Gelehrten aufsucht. Schreib es auf, wenn du es dir nicht merken kannst. He! Wach auf!«
Die einschläfernden Geräusche, das Plätschern des Wassers, die Wärme und der Duft der Kräuter hatten Hasan besiegt. Er rutschte langsam am Beckenrand ins Wasser. Bevor das Wasser seinen offenen Mund erreichte, machte Abdullah einen entschlossenen Schritt, packte Hasan unter den Armen und zog ihn wieder in die Höhe. Mühsam riss Hasan die Augen auf.
»Wir sind sauber genug«, sagte Abdullah laut und winkte den Badesklaven. Er schleppte Hasan bis zu den gekachelten Stufen und sagte zu den dunkelhäutigen Männern: »Bringt ihn in den Ruheraum und lasst ihn ausschlafen. Er bekommt neue Kleidung; die alten Fetzen könnt ihr verbrennen.«
Er watete hinter den Männern aus dem Becken, tauchte im Kaltwasserbecken unter und ließ sich kneten und walken. Mit einigen Drachmen entlöhnte er großzügig die Badeknechte und ging aus dem dampfenden Halbdunkel des Badehauses in den hellen Tag hinaus. Der Muezzin rief zum Nachmittagsgebet, als Abdullah ohne Eile zu Abu Lahab ging, um ihm zu berichten.
Was der Schwertschmied zu unternehmen gedachte, würde er früh genug erfahren.
8
Liebesschwüre, Hoffnung und Verzweiflung
Suleiman hob Mariams Hand an seine Lippen und küsste den kaum gebräunten Handrücken, der mit einem kleinen Henna-Ornament verziert war. Die junge Christin trug den goldenen Ring mit dem Rubin, den Suleiman ihr geschenkt hatte. Die Nachmittagssonne sandte breite Strahlen durch die Baumkronen, und im Garten roch es nach frisch geschnittenem Gras. Unter Mariams nackten Sohlen knirschte der feine Sand des Weges, als sie, den Arm um Suleimans Hüfte gelegt, von der Terrasse zum Brunnen ging. Sie verscheuchten vier oder fünf Tauben, die am Beckenrand getrunken hatten.
»Du hast mir gesagt, ich soll mich nicht fürchten«, sagte sie leise. Ihre Stimme klang verwirrt und traurig. »Und weiß dein Vater, wer ich bin und wo ich wohne? Was wird er unternehmen? Du selbst hast mir erzählt, wie unberechenbar er ist. Wenn er unsere Beziehung nicht duldet, werden wir nie mehr zusammen sein können.«
Suleiman hatte von Layla erfahren, dass Abdullah seinem Vater berichtet hatte, dass es Hasan schließlich gelungen war, Mariams Namen in Erfahrung zu bringen und das Haus zu finden, in dem sie lebte. Layla hatte Abdullahs Gespräch mit Abu Lahab belauscht und anschließend Suleiman davon erzählt.
»Er wird es erlauben müssen«, antwortete Suleiman. »Lange hat er mit Sean geredet, meinem Freund, dem Christen. Er hat einen verwegenen Plan, glauben wir beide. Wie er es genau anstellen will, ahnen wir nicht einmal. Aber er hat Sean, in seiner Rolle als Wesir des abendländischen Kaisers, eine junge, schöne Christin zur Frau versprochen. Aller Wahrscheinlichkeit nach denkt er dabei an dich.«
»Das ist nicht dein Ernst, Liebster!« Sie schlug die Hände vor den Mund und wischte eine seidige Haarsträhne aus ihrem Gesicht.
Sie saßen eng nebeneinander und spürten die Wärme des anderen. Suleiman fühlte, wie sein Begehren wuchs, und er spürte durch die Haut und in der Berührung ihrer Finger die Sehnsucht Mariams, die ebenso empfand wie er und nichts anderes wollte, als endlich mit ihm allein zu sein und sich ihm leidenschaftlich hinzugeben. Seit langem wünschten sie es sich beide. Sie waren sich sicher, füreinander bestimmt zu sein. Suleiman bemerkte das Zittern ihrer Finger und streichelte ihre weiche, glatte Schulter.
»Vaters Pläne dürfen nicht erfolgreich sein.« Suleiman versuchte sie zu beruhigen und zu trösten. Seine Verzweiflung wuchs. »Sean und ich, wir sorgen dafür. Joshua arbeitet gerade an einem
Weitere Kostenlose Bücher