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Der Kaiser des Abendlandes

Der Kaiser des Abendlandes

Titel: Der Kaiser des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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das Leben abspielte. Die kleine Fackel, die Suleiman trug, verbreitete ein zuckendes Licht, das nur wenige Schritte weit reichte. Aber binnen weniger Atemzüge konnte man an dieser Flamme größere Fackeln entzünden, von denen Sean ein Dutzend als Bündel auf dem Rücken trug.
    Auf einem Weg, den Sean zum größten Teil schon kannte, gingen sie zum Rand der Stadt, zu den Resten der alten Mauern und Tore, zu der kurzen Gasse, in der das Haus stand, in dem Elazar gefangen gehalten wurde.
    »Dein Vater glaubt noch immer, dass er heute einen Christen zu seinem Glauben bekehrt.« Sean langte über die Schulter und fasste nach dem Schwertgriff.
    »Er glaubt auch, dass du in Antiochia oder irgendwo in Ägypten seine Schwerter verkaufen wirst.«
    »Hast du das Haus beobachtet?«
    »Ja. Außer Elazar waren zuletzt noch drei Wachen dort. Es sind Abdullahs Leute.«
    »Jetzt schlafen sie wohl. Aber sie werden wach sein, wenn dein Vater an die schwarze Tür hämmert.«
    »Davon gehe ich aus.«
    Sean und Suleiman erreichten die Gasse und sahen im einzigen, winzigen Fenster des Hauses schwachen Lichtschein. Sie versteckten sich, ungefähr zwei Dutzend Schritte von der Tür entfernt, zwischen überwucherten Mauerresten. Suleiman verbarg die Flamme seiner Fackel hinter etlichen Quadern und einem kugeligen Busch. Sean nahm die Fackeln von seinem Rücken und legte sie nebeneinander auf die Steinbrüstung.
    »Da drüben kommt Henri«, flüsterte Suleiman.
    Uthman war nicht zu sehen, aber Sean wusste, dass er irgendwo in der Nähe sein musste.
    Sie warteten. Sean dachte an die leidenschaftlichen Erlebnisse mit Layla und an Mariams seltsames Lächeln. Als er dessen überdrüssig wurde, begann er, die Sterne zu zählen, und wartete darauf, dass der Mond hinter den Kuppeln und Felsen aufging. Die Hausfronten und die Gasse waren nur zu erkennen.
    Plötzlich näherte sich von rechts ein Lichtschein.
    Suleiman stieß Sean an und deutete auf das Licht.
    »Dort! Das wird mein Vater sein, und er hat mit Sicherheit Abdullah dabei, ich schwör’s!«, flüsterte er aufgeregt.
    »Er ist ein starker Krieger, sagst du?«
    »Ich werde mit ihm fertig«, gab Suleiman zurück. »Mit Uthmans Hilfe auf jeden Fall.«
    »Sie haben sich gut versteckt«, murmelte Sean. »Gleich sollte unser Kaiser auftreten.«
    »Von dort drüben.«
    Der Kaiser hatte seine Briefe in hebräischen Zeichen schreiben lassen. Würde Abu Lahab stutzig werden, wenn Henri ihn auf Arabisch ansprach? Eine andere Sprache kannte Abu Lahab nicht, also blieb nichts anderes übrig. An ebensolchen Kleinigkeiten scheiterten die besten Pläne, das war Sean nur allzu bewusst. Auch von links näherte sich Lichtschein, und kurz darauf erkannten sie Henri im weiten, weißen Mantel, den Helm aufgesetzt und eine heftig lodernde und funkensprühende Fackel in der Linken. Er ging in der Mitte der Gasse auf das Haus mit der schwarzen Tür zu und blieb stehen, geheimnisvoll und hell vom Fackellicht umlodert. Sein Schatten tanzte auf dem Pflaster.
    »Wenn das nicht ein wahrer Kaiser ist«, raunte Suleiman beeindruckt zwischen Lachen und Staunen.
    Abu Lahab, dem eine dunkel gekleidete Gestalt folgte, die zwei Fackeln trug, erschien vor dem Haus. Beide Männer verlangsamten ihre Schritte und zögerten, als sie die Ehrfurcht gebietende Gestalt des vermeintlichen Kaisers unmittelbar vor den Stufen des Eingangs sahen, und traten langsam, fast ehrfürchtig näher.
    Mit seiner tiefen, durchdringenden Stimme fragte Henri durch die Öffnung seines Helms: »Sehe ich vor mir den Fürsten der tausend Schwerter, Effendi Abu Lahab? Wir haben lange Briefe gewechselt, mein muslimischer Freund.«
    Allein schon der sonore Klang der Stimme, die zwischen den Mauern dröhnte, war überzeugend und strahlte die Macht eines Kaisers aus. »Abdullah! Der Schaitan hole ihn in kleinen Stücken!«, hauchte Suleiman in Seans Ohr. Er sah, dass auch Abdullah Schwert und Dolch bei sich trug.
    Jetzt redete auch Abu Lahab laut und deutlich: »O Kaiser des Abendlandes, Schreiber bemerkenswerter und verheißungsvoller Briefe. Ich grüße dich in aller Freundschaft und Erwartung.«
    »Ich danke, Effendi«, gab Henri dröhnend zurück. »Unsere Freundschaft wird heller leuchten als alle Fackeln zusammen, wenn du den ersten Teil unserer Vereinbarung erfüllst.«
    »Sicherlich redest du von unserer brüderlichen Umarmung und deinem Schwur, mit mir über deine Unterwerfung zu reden«, rief Abu Lahab unterdrückt.
    »Ich rede von der Freilassung

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