Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kaiser des Abendlandes

Der Kaiser des Abendlandes

Titel: Der Kaiser des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
Vom Netzwerk:
von Abdullahs Fackel reichte weiter in den anderen Teil der Gasse hinein als zuvor. Sean und Suleiman sahen das schwache Funkeln von Uthmans Waffe und versteckten ihre kleine Fackel. Der Gefährte näherte sich unbemerkt dem Schauplatz. Auch Suleiman und Sean gingen auf Zehenspitzen und mit angehaltenem Atem auf Abu Lahab und Henri zu.
    »Nicolaus hat ausgespielt«, flüsterte Suleiman und zog sein Schwert aus der Scheide, die er auf dem Rücken trug.
    »Gottlob ist es damit vorbei«, sagte Sean.
    Wieder erhob Abu Lahab seine Stimme und schwang das Schwert über seinem Kopf. »Ein falscher Wesir, ein falscher Kaiser, und an allem sind nur die Ungläubigen schuld! So billig kommst du mir nicht davon, Fremder!«
    Er winkte, und Abdullah rannte mit funkensprühender Fackel und gezogenem Schwert auf Henri zu. Henri schlug mit blitzschnellen Bewegungen seinen Mantel zurück und hielt das Schwert und den langen Dolch in den Händen. Gleichzeitig rannten Uthman und Suleiman los, während Sean zwei Fackeln an die kleine Flamme hielt und, als sie zu brennen begannen, hinter Suleiman herlief.
    Er schwenkte die Fackeln durch die Luft und sah, wie Uthman auf Abdullah zusprang, der ihn, vom Licht seiner eigenen Fackel geblendet, viel zu spät sah. Mit einem wuchtigen, halbkreisförmigen Hieb schlug Uthman Abdullah das Schwert aus der Hand. Die Waffe prallte mit lautem Klirren irgendwo auf das Pflaster.
    »Halt. Bleib stehen. Das sollen sie unter sich ausmachen«, sagte Uthman drohend und zielte mit der Spitze seiner Waffe auf Abdullahs Kehle. Abu Lahabs Beschützer blieb reglos stehen und ließ die Fackel langsam sinken.
    Abu Lahab, der einen Kopf kleiner war als Henri und von wuchtiger Statur, wagte tatsächlich, Henri anzugreifen. Nach drei Schritten schlug er zu; die Klingen kreuzten sich. Einmal, zwei-, dreimal. Henri schlug mit aller Wucht zu und trieb Abu Lahab zurück, als zwei schwarz gekleidete Gestalten sich von rechts und links näherten. Noch mehr Fackeln, noch mehr Licht. Die Tür des Hauses wurde aufgerissen, und im Eingang drängten sich Männer.
    Sean hob die lodernden Fackeln, und Suleiman sprang zwischen Henri und seinen Vater. Er schlug die Kapuze zurück und rief: »Aufhören! Willst du dich selbst umbringen, Vater?«
    Henri sprang zurück und senkte die Waffe, blieb aber kampfbereit. Abu Lahab erkannte seinen Sohn, schnappte nach Luft und starrte Suleiman verständnislos an.
    »Vergiss deine irrwitzigen Pläne, Vater!«, rief Suleiman beschwörend. »Gegen uns kannst du nur verlieren. Es wird keinen Kaiser geben, der zum Muslim wird. Alle Gesetze sind gegen dich. Der Emir würde dich verbannen! Hör auf!«
    Sein Vater löste sich aus der Starre. Er sah hilfesuchend zu Abdullah hinüber, der von Uthman in Schach gehalten wurde. Auch von Elazars Bewachern wagte keiner einzugreifen.
    »Du hast diesen Ungläubigen geholfen? Ausgerechnet du?«
    »Ich habe verhindert, dass Schande und Armut über unser Haus kommen, Vater!«, antwortete Suleiman. »Geh nach Hause und schmiede deine Schwerter, für die dich jeder bewundert! Lass es gut sein! Du kannst nicht zum Herrscher über Jerusalem werden.«
    Abu Lahab senkte den Kopf, und in einer verlegenen Geste schob er mit zitternder Hand sein Schwert in die Scheide. Er blickte verwirrt um sich und schien auch Sean zu erkennen, obwohl dieser das Tuch bis über die Nase hochgezogen hatte.
    »Nicolaus hat die Christin nicht haben wollen«, murmelte er.
    »Weil sie mich haben will, Vater«, rief Suleiman. »Abdullah! Bring meinen Vater zurück in sein Haus. Er soll endlich Ruhe geben und keine lächerlichen Gerüchte mehr verbreiten.«
    »Ich werde niemals neben dem Emir durch die Straßen reiten«, schäumte Abu Lahab. »Ihr habt die Schuld daran. Ihr, die Ungläubigen, und du, Suleiman.«
    »Sei nicht ungerecht«, rief Suleiman aufgebracht. »Du hast alles angefangen mit deinem Brief an einen Mann, den es nur in deinem Traum gab. Dein Traum ist ausgeträumt. Geh nach Hause!«
    Abu Lahab winkte Abdullah, drehte sich um und ging wortlos davon. Abdullah lief zu ihm und zog, als sie am Haus mit der schwarzen Tür vorbeigingen, die zweite Fackel aus dem Spalt. Schwankend und mit dünnen Rauchfahnen bewegten sich die Lichter durch die Dunkelheit davon, bis sie hinter der nächsten Biegung verschwanden.
    »Nun ist alles zu Ende«, erklärte Henri und nahm den Helm ab. Sein Gesicht war schweißüberströmt. »Wo ist Elazar?«
    Uthman stieß einen kurzen Pfiff aus. Und bald darauf

Weitere Kostenlose Bücher