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Der Kaiser des Abendlandes

Der Kaiser des Abendlandes

Titel: Der Kaiser des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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des Gefangenen Elazar ben Aaron und, bis er unter meinem Schutz steht, von nichts anderem.«
    Abu Lahab und Henri standen sich ein Dutzend Ellen, fünf, sechs große Schritte, voneinander entfernt in der Mitte der Gasse gegenüber. Wilde Schatten und Flammen zuckten an den Wänden und Mauern, Funken wirbelten in die Höhe. Henri deutete mit der behandschuhten Rechten auf die schwarze Tür. Im Fenster zeigte sich ein Kopf, der nur undeutlich zu erkennen war.
    »So sei es, in Allahs Namen.«
    Abu Lahab winkte. Abdullah ging die Stufen hinauf und hämmerte mit dem Griff seines Dolches gegen die Tür. Es dauerte nicht lange, dann öffnete sie sich. Sean und Suleiman hörten einen leisen, aber aufgeregten Wortwechsel. Abermals verging eine kleine Ewigkeit, dann kam ein dunkel gekleideter Mann zur Tür und hob die Hand, um seine Augen gegen das Flackern der Fackeln abzuschirmen.
    »Shalom, Elazar«, rief Henri. »Du bist frei. Komm her zu mir. Wir haben lange auf dich und diesen Augenblick gewartet.«
    Elazar, den Sean und Suleiman in der Dunkelheit kaum erkennen konnten, tastete sich die wenigen Stufen bis zur Gasse hinunter und ging zu Henri hinüber, der ihn mit einer schnellen, kraftvollen Bewegung an seine Brust zog.
    »Geh dort hinüber«, sagte Henri und deutete auf einen unbestimmten Punkt in der Dunkelheit.
    »Dort warten Freunde, die dich in Sicherheit bringen werden.«
    Sean und Suleiman konnten nicht genau erkennen, wohin Henri gedeutet hatte. Aber sie wussten, dass Uthman dort wartete. Elazar begriff schnell und gehorchte. Nach zwei Dutzend unsicheren Schritten war er in der Dunkelheit verschwunden.
    Sean atmete auf. »Das wäre schon mal geschafft«, flüsterte er. »Es ist besser, wir steigen hinunter und halten uns bereit.«
    Suleiman nickte und half Sean, möglichst geräuschlos zwischen den Mauerresten in den dunklen Teil der Gasse hinunterzuklettern. Mit dem Saum seiner weiten Jacke verbarg er die Flamme. Sean raffte die Fackeln zusammen und hielt sie unter der Achselbeuge fest, während er über bröselige Steine stieg und rutschte. Endlich standen sie, durch einen Mauervorsprung verborgen, einen halben Steinwurf hinter Abu Lahab. Abdullah hatte sich neben der offenen Tür an die Mauer gelehnt, hielt die Fackeln in die Höhe und starrte auf Henri und Abu Lahab hinunter.
    Elazar ist bei Uthman in Sicherheit. Vielleicht sagt ihm der Freund gerade, mit wem er es zu tun hat und dass er wirklich frei ist – und frei bleibt!, dachte Sean und war erleichtert.
    »Und nun«, war Henris Stimme laut zu vernehmen, »reden wir darüber, ob und auf welche Weise sich der Kaiser des Abendlands auf deinen Rat hin – oder deinen dringenden Wunsch, der fast eine Drohung war! – herablässt, seinen Glauben aufzugeben.«
    Abu Lahab schien kaum eingeschüchtert zu sein. Mit fester Stimme erwiderte er: »Allah ist groß. Du selbst, o Kaiser des fernen Abendlands, hast eingewilligt, deinen Glauben aufzugeben. Ich habe alles für die Zeremonie vorbereitet, sie wird in wenigen Tagen vor der Moschee stattfinden.«
    »In deinem grenzenlosen Verlangen danach, deinen Reichtum zu vergrößern, indem du einen Krieg gegen Christen und Juden vorbereitest, bist du zu weit gegangen«, sagte Henri laut. »Niemand wird dich dabei unterstützen.«
    Abu Lahab schien zu ahnen, dass der Erfolg seines Plans gefährdet war. Das Treffen lief nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte. Abdullah trat langsam die Stufen hinunter, um seinem Herrn beizustehen.
    »Es wird ernst«, flüsterte Sean. »Dein Vater hat das Schwert gepackt.«
    »Schleich dich näher heran, Sean«, antwortete Suleiman, »lautlos und schnell, aber greif noch nicht ein.«
    »Du hast mir dein Wort gegeben, Kaiser Ludovicus!«, rief Abu Lahab und zog das Krummschwert.
    »Es gibt im Abendland viele kleine Fürsten und Könige«, antwortete Henri, »aber einen Kaiser, der über alle herrscht, gibt es nicht.« Henri legte eine Pause ein, um Abu Lahab Zeit zum Nachdenken zu geben, dann fuhr er fort: »Mein Name tut nichts zur Sache, aber er ist nicht Ludovicus.«
    Das Schwert in Abu Lahabs Hand zitterte. Abdullah steckte eine lodernde Fackel in einen Mauerspalt und näherte sich Henri.
    Endlich fand Abu Lahab seine Sprache wieder. Seine Stimme überschlug sich, als er schrie: »Ich bin betrogen worden! Du hast mich betrogen! Dann ist dieser Nicolaus auch nicht dein Wesir!«
    »Da ich kein Kaiser bin, brauche ich keinen Wesir«, gab Henri zurück. »Er ist mein Freund.«
    Das Licht

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