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Der kalte Hauch der Angst

Der kalte Hauch der Angst

Titel: Der kalte Hauch der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Lemaitre
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würde sie jeden Moment zusammenbrechen.
    Zu ihrer Entlastung: Die Weihnachtstage mit der Leiche der Alten im ersten Stock haben sie sicherlich ziemlich geschlaucht. Ich bin in die Wohnung gegangen und habe das Geschenk für die verstorbene Mutter des Gatten wieder zu Sophies Sachen gelegt. Ich denke, bei der Heimkehr vom Begräbnis wird das eine anrührende Entdeckung sein.
    6. Januar 2001
    Sophie ist völlig deprimiert. Seit dem Tod ihrer Schwiegermutter plagt sie eine fürchterliche Angst vor der Zukunft. Als ich erfuhr, dass der Vorfall untersucht werden sollte, habe ich mir zuerst große Sorgen gemacht. Zum Glück handelte es sich jedoch vor allem um eine Formsache. Die Akte wurde gleich geschlossen, es war ein Unfalltod. Doch Sophie weiß so gut wie ich, was sie davon zu halten hat. Nun muss ich das Netz zu Sophies Schutz enger zusammenziehen. Nichts darf mir entgehen, damit Sophie selbst mir nicht entkommt. Meine Wachsamkeit ist geschliffen scharf wie ein Rasiermesser. Manchmal macht mir das Angst.
    Nach den Ereignissen der letzten Tage kann Sophie mit Vincent nicht mehr über ihre Probleme reden. Sie ist zur Einsamkeit verdammt.
    15. Januar
    Heute Morgen sind sie wieder aufs Land gefahren. Sie waren lange nicht mehr im Département Oise gewesen. Eine halbe Stunde nach ihnen verließ ich Paris. Auf der Autobahn nach Norden habe ich sie überholt und in Ruhe an der Ausfahrt Senlis auf sie gewartet. Ihnen zu folgen war dieses Mal nicht besonders schwierig. Sie fuhren erst zur Immobilienagentur, kamen aber ohne den Makler wieder heraus. Ich erinnere mich, dass sie in einem Kaff bei Crépy-en-Valois ein Haus besichtigt hatten; dorthin schienen sie zu fahren. Doch siewaren nicht dort. Ich dachte schon, ich hätte sie verloren, aber ein paar Kilometer weiter entdeckte ich ihren Wagen vor einem Tor.
    Ein großes, imposantes Haus. Ganz anders als die Häuser, die man hier sonst so sieht. Ein Natursteinhaus mit Holzbalkonen, ein ziemlich verwinkelter Bau mit einer Menge Ecken und Nischen. Es gibt eine ehemalige Scheune, die sicherlich als Garage dienen soll, und einen angebauten Schuppen, wo der Bilderbuchgatte herumwerkeln kann … Das Haus steht auf einem umfriedeten Anwesen, nur an der Nordseite ist die Mauer eingestürzt. Dort habe ich das Grundstück betreten, nachdem ich mein Motorrad am Rand des Wäldchens hinter der Mauer abgestellt hatte. Ich schlich mich wie ein Indianer zu ihnen, beobachtete sie durchs Fernglas. Nach zwanzig Minuten sah ich sie Arm in Arm über die Wiese gehen. Sie flüsterten zärtlich und leise. Idiotisch. Als hätte sie jemand hören können auf diesem verlassenen Grundstück um dieses große, leere Haus herum, am Rande dieses verschlafenen Dorfes, wo seit Jahr und Tag nichts mehr passiert ist! Das muss wohl Liebe sein. Vincent sah zwar ein wenig betreten aus, aber die beiden schienen sich gut zu verstehen, sie wirkten sogar glücklich. Hin und wieder drückte sie sich ganz fest an Vincent, wie um sich seiner Anwesenheit, seines Beistands zu versichern. Dennoch war es ein etwas trauriges Bild, wie die beiden zusammen über das winterliche Anwesen gingen.
    Als sie wieder ins Haus gingen, wusste ich nicht so recht, was ich tun sollte. Ich hatte hier noch keinen Unterschlupf und bekam Angst, jemand könnte vorbeikommen. An so einem Ort hat man nie wirklich seine Ruhe. Alles erscheint einem wie tot, doch kaum will man allein sein, trifft man auf irgendeinen blöden Bauern, der mit seinem Traktorvorbeituckert, auf einen Jäger, der einen mustert, oder auf ein Kind, das mit dem Fahrrad vorbeifährt und sich eine Hütte im Wald bauen will … Nachdem die beiden nicht mehr aus dem Haus kamen, ließ ich das Motorrad hinter dem Mäuerchen stehen und wagte mich vor. Ich hatte eine Eingebung. Ich rannte zur Rückseite des Hauses. Ich war ganz außer Atem, als ich dort ankam, wartete ein, zwei Minuten, bis mein Herzklopfen wieder nachließ, und lauschte. Kein einziges Geräusch. Ich strich ums Haus herum und achtete auf jeden Schritt; unter einem Fenster mit kaputten Fensterläden blieb ich stehen, die unteren Latten fehlten. Ich stieg auf einen Steinsims und zog mich zum Fenster hoch. Dort ist die Küche. Sehr altbacken; es gibt eine Menge zu renovieren. Aber daran dachten meine Turteltäubchen gar nicht! Sophie stand vor dem Spültisch, den Rock bis zu den Hüften hochgerafft, Vincent hing

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