Der kalte Hauch der Angst
glaubt nicht, dass er etwas gemerkt hat. Sie hat geweint. Sie haben sich ausgesprochen. Vincent hat gesagt, sie solle sich in Behandlung begeben. Die Zeit sei wirklich reif.
15. Februar
Vorgestern hat Sophie alles durchsucht. Ihr Bibliotheksausweis lügt nicht: Sie hat zwei Bücher ausgeliehen, sie erinnert sich gut, denn sie hat darin geblättert. Nicht gelesen, nur durchgeblättert. Sie hatte sie aus Neugier ausgeliehen, wegen eines Artikels, den sie einige Wochen zuvor gelesen hatte. Sie kann die Bücher auch deutlich vor sich sehen. Aber sie kann sie einfach nicht mehr finden. Albert Londres und ein spezielles Wörterbuch. Nun verliert Sophie wegen allem den Kopf. Wegen jeder Kleinigkeit gerät sie in Hektik. Sie hat beim Pressedokumentationszentrum angerufen und gefragt, ob man die Leihfrist verlängern könne. Doch offenbar hatte sie die Bücher zurückgebracht. DieBibliothekarin hat ihr sogar das Datum genannt: 8. Januar. Sie sah in ihrem Kalender nach, es war der Tag, an dem sie zu einem Kunden in einen Vorort musste. Sie hätte dort vorbeifahren können â¦Â Doch sie erinnert sich absolut nicht, die beiden Bücher an jenem Tag zurückgegeben zu haben. Sie hat Vincent gefragt, aber nicht nachgebohrt: Zurzeit sei er mit Vorsicht zu genieÃen, schreibt sie an Valérie. Die Bücher sind im Dokumentationszentrum zu haben, sie wurden nicht wieder ausgeliehen. Es war stärker als sie: Sie ist hingegangen und hat noch einmal nach dem Rückgabedatum gefragt. Es wurde ihr bestätigt.
Ich habe gesehen, wie sie aus dem Haus ging. Sie ist wirklich sehr bekümmert.
18. Februar
Vor einer Woche hat Sophie wegen einer groÃen Versteigerung antiquarischer Bücher eine Pressekonferenz organisiert. Beim nachfolgenden Umtrunk hat sie für die Firmenzeitung, aber auch um es der Presse zu ersparen, Fotografen zu schicken, Digitalaufnahmen der Journalisten, der Direktionsmitglieder und des Büfetts gemacht.
Die ganze Woche lang und einen Teil des Wochenendes hat sie zu Hause an ihrem Computer gearbeitet, um die Bilder zu bearbeiten, die sie der Direktion vorlegen und allen anwesenden und entschuldigten Journalisten schicken muss. Sie hat alles in der Datei »Presse_11_02« abgespeichert, die sie an eine Mail angehängt hat. Die Sache scheint wichtig zu sein, denn sie hat gezögert, die Bilder noch einmal geöffnet,angesehen, nachbearbeitet und noch mal nachbearbeitet. Ich habe gespürt, dass sie unsicher war. Beruflich stand ja immerhin einiges für sie auf dem Spiel. SchlieÃlich hat sie sich dazu durchgerungen, die Mail abzuschicken, hat zuvor aber noch eine Sicherungskopie gemacht. Ich missbrauche den Zugriff nie, den ich über das Internet auf ihren Rechner habe. Ich habe immer Angst, sie könnte etwas merken. Aber dieses Mal konnte ich nicht widerstehen. Während sie die Sicherungskopie erstellt hat, habe ich dem Anhang zwei weitere Bilder hinzugefügt. Im selben Format, aus demselben Bildbearbeitungsprogramm, garantiert manuell bearbeitet. Doch diese Bilder zeigen kein Büfett, keine Journalisten und keine wichtigen Kunden. Lediglich die Pressereferentin, die ihrem Mann in der Sonne Griechenlands gerade herrlich einen bläst. Allerdings erkennt man den Mann nicht so gut wie die Pressereferentin.
19. Februar
In Sophies Büro ist offensichtlich der Teufel los. Die Sache mit dem Pressedossier hat sich herumgesprochen wie ein Lauffeuer. Sophie fiel aus allen Wolken. Gleich am Montagmorgen rief ein Direktionsmitglied bei ihr zu Hause an. Auch einige Journalisten haben am Vormittag angerufen. Sophie war sprachlos. Selbstverständlich hat sie niemandem davon erzählt, schon gar nicht Vincent. Sicherlich schämt sie sich ganz schrecklich. Ich selbst habe es durch die Mail erfahren, die ein »befreundeter« Journalist ihr geschickt hatte. Sie war von dieser Nachricht völlig vor den Kopf gestoÃenund hatte ihn wohl gebeten, ihr die Bilder zu schicken, sie konnte es einfach nicht glauben!
Man muss sagen, dass ich eine gute Wahl getroffen hatte: Mit vollem Mund hebt sie den Blick, der willentlich geil ist, zu Vincent. Diese kleinen SpieÃerinnen â wenn sie privat die Nutte spielen, wirkt es echter noch als echt. Das zweite Foto ist ein wenig kompromittierender, wenn man das so sagen kann. Es zeigt das Ende, es beweist, dass sie sich gut auf die Sache versteht und auch der junge Mann sehr gut
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