Der kalte Hauch der Angst
Gedanken in seinem Kopf rasen. Sie lässt ihn nicht aus den Augen, als wolle sie ihn auf der Stelle fixieren. Sie schluckt und sagt: »Frantz â¦Â« Sie reckt ihm die Lippen entgegen, er küsst sie auch gleich. Ein verhaltener Kuss, angespannt, etwas nachdenklich, doch in diesem Mund ist auch etwas Gieriges. Herrisches. Und etwas Hartes an seinem Unterleib. Sophie konzentriert sich. Sie würde gern eine Rechnung aufstellen, in der die Angst kein Posten ist, aber das geht nicht. Sie fühlt sich festgehalten, gefangen. Er ist körperlich stark. Sie hat Angst zu sterben. Also drückt sie sich an ihn, presst ihr Becken an seinen SchoÃ, sie spürt, wie er härter wird, und das beruhigt sie. Sie schmiegt ihre Wange an ihn und blickt auf den Boden. Sie kann atmen. Nacheinander entspannt sie all ihre Muskeln, und ihr Körper löst sich nach und nach in Frantzâ Armen auf. Er hebt sie hoch. Er trägt sie ins Schlafzimmer und legt sie aufs Bett. So könnte sie einschlafen. Sie hört, wie er sichentfernt, in die Küche geht, sie schlägt kurz die Augen auf, schlieÃt sie wieder. Das charakteristische Geräusch des Teelöffels im Glas. Wieder ist er über ihr. Er sagt: »Du wirst jetzt ein bisschen schlafen und dich ausruhen. Das ist das Wichtigste. Dass du dich ausruhst.« Er hält ihr den Kopf, und sie trinkt langsam die Flüssigkeit. Um den Geschmack zu überdecken, gibt er immer viel Zucker hinein. Dann geht er wieder in die Küche. Mit einer einzigen Bewegung wirft sie sich auf die Seite, zieht das Laken heraus und steckt zwei Finger in den Hals. Ihr Magen macht einen Satz, sie würgt die Flüssigkeit in einem zuckenden Krampf heraus, zieht das Laken wieder glatt und legt sich hin. Schon ist er wieder da. Er streicht ihr über die Stirn. »Schlaf in aller Ruhe«, sagt er in einem Atemzug. Er drückt seinen Mund auf ihre trockenen Lippen. Er bewundert dieses schöne Gesicht. Nun liebt er sie. Dieses Gesicht gehört ihm. Bereits jetzt fürchtet er den Augenblick, da sie nicht mehr sein wird â¦
»Die Gendarmen waren hier â¦Â«
Daran hatte Sophie nicht gedacht. Die Gendarmen. Ihr Blick verrät auch gleich ihre Nervosität. Frantz weiÃ, wie sehr die echte Sophie die Gendarmen fürchten muss. Mit Bedacht spielen!
»Notgedrungen«, fügt er hinzu. »Die Klinik musste sie benachrichtigen. Sie sind hierhergekommen â¦Â«
Er ergötzt sich kurz an Sophies Panik, dann nimmt er sie in den Arm.
»Ich habe mich um alles gekümmert, keine Sorge. Ich wollte nicht, dass sie nach dir suchen, ich wusste, dass du zurückkommen würdest.«
In all diesen Monaten war es ihr gelungen, nie mit der Polizei in Kontakt zu kommen. Und nun ist sie ins Netzgegangen. Sophie atmet tief durch, versucht nachzudenken. Frantz wird sie da herausholen. Ihre Interessen stimmen überein. Mit Bedacht spielen!
»Du musst irgendwelche Papiere unterschreiben. Dass du zurückgekommen bist oder so â¦Â Ich habe ihnen gesagt, du warst in Besançon. Bei einer Freundin. Besser, wir bringen das Ganze gleich hinter uns.«
Sophie wackelt mit dem Kopf. Ein Nein. Frantz drückt sie noch ein wenig fester an sich.
Der Eingangsbereich der Gendarmerie hängt voller verblasster Plakate â vergröÃerte Personalausweise, Warnhinweise, Rufnummern für alle Notfälle. Der Gendarm Jondrette schaut Sophie wohlwollend an. Er hätte gern so eine Frau. Wie ein Windhauch. Das muss einem Mann das Gefühl geben, gebraucht zu werden. Sein Blick wandert von Sophie zu Frantz. Dann trommelt er auf den Tisch, seine dicken Finger bleiben auf einem Formular liegen.
»So rettet man sich also aus der Klinik â¦Â«
Das ist seine Art, sich diplomatisch zu zeigen. Er hat eine Frau vor sich, die sterben wollte, und etwas anderes fällt ihm nicht ein. Sophie erfasst sofort, dass sie seiner Vorstellung von männlicher Stärke schmeicheln muss. Sie senkt den Blick. Frantz legt den Arm um sie. Hübsches Paar.
»Und Sie waren wo �«
»Bordeaux«, stöÃt Sophie hervor.
»Genau. In Bordeaux. Das sagte Ihr Mann. Und dort waren Sie bei Verwandten â¦Â«
Sophie wechselt die Taktik. Sie hebt den Blick und schaut Jondrette in die Augen. So schlicht sich dieser Gendarm auch gibt, er hat Gespür. Und er spürt, dass diese Madame Berg willensstark ist.
»Verwandte sind
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