Der kalte Hauch der Angst
doch!«
»Nein! Alles, was ich habe, ist eine Kette von Umständen, alles basiert auf einer winzig kleinen Ausgangshypothese, und die fällt bei drei Morden nicht schwer ins
Gewicht â darunter der Mord an einem Sechsjährigen!«
»O. k. Zumindest im Moment ⦠Etwas anderes: Wie
kannst Du Dir so sicher sein, dass dieser Kerl auch
tatsächlich Dein Frantz ist?«
»Ich habe ihn über eine Ehevermittlung kennengelernt,
bei der ich mich unter dem Namen Marianne Leblanc
angemeldet habe (der Name auf der gekauften Geburtsurkunde). Er hat mich also immer nur unter diesem
Namen gekannt.«
»Und?«
»Dann erklär mir, warum er, als ich mir die Pulsadern
aufgeschnitten habe, âºSophieâ¹ geschrien hat!!!«
»Du hast recht. Aber â¦Â warum hast Du es überhaupt
getan???«
»Papa! Mir ist es zuvor nur ein einziges Mal gelungen zu
flüchten; da hat er mich dann am Bahnhof abgefangen.
Von diesem Tag an ist er immer bei mir geblieben. Ist
er aus dem Haus gegangen, hat er mich eingeschlossen.
Einige Tage lang ist es mir gelungen, nichts von dem
einzunehmen, was er mir ständig verabreicht hat, und
meine Migräne, meine Angstzustände waren weg â¦
AuÃerdem gab es keine andere Lösung. Ich musste einen
Ausweg finden, und in einem Krankenhaus konnte er
mich nicht rund um die Uhr bewachen â¦Â«
»Das hätte auch schlecht ausgehen können.«
»Nein, es sah schlimm aus, aber es war harmlos. So einfach stirbt man nicht! AuÃerdem hätte er mich auch nie
sterben lassen. Er will mich eigenhändig töten. Genau
das will er.«
»â¦Â«
»Bist Du da?«
»Ja, ja, bin ich â¦
Ich versuche nachzudenken, aber ich
bin vor allem auch wütend, mein Schatz! Ich habe eine
solche Wut, es ist entsetzlich!«
»Ich auch, aber bei ihm funktioniert das mit der Wut
nicht, bei ihm muss man ganz andere Mittel anwenden.«
»Welche?«
»â¦Â«
»Welche???«
»Er ist intelligent, man muss mit List vorgehen.«
»Und was willst Du jetzt tun?«
»Ich weià es noch nicht, aber ich gehe auf jeden Fall zu
ihm zurück.«
»Warte! Das ist Irrsinn!!! Das lasse ich nicht zu. Kommt
gar nicht in Frage!!!«
»Ich wusste, dass Du das sagen würdest.«
»Ich lasse Dich nicht zu ihm, und damit basta.«
»Bin ich dann wieder allein?«
»Was?«
»Ich frage Dich, ob ich dann wieder allein mit allem bin.
Im Klartext: Hört Deine Hilfe hier auf? Mehr als Dein
Mitleid und Deine Wut hast Du mir nicht zu bieten?
WeiÃt Du, was ich durchgemacht habe??? Ist Dir das
eigentlich klar??? Vincent ist tot, Papa. Er hat Vincent
getötet. Er hat mein Leben zerstört, hat alles zerstört.
Und nun muss ich wieder allein sein?«
Hör zu, grüne Maus â¦Â«
»Nerv mich nicht mit Deiner grünen Maus!!! Ich bin
hier! Hilfst Du mir, ja?«
»â¦Â«
»â¦Â«
»Ich liebe Dich. Ich helfe Dir.«
»O Papa, ich bin so müde.«
»Bleib eine Weile hier, ruh Dich aus.«
»Ich muss wieder weg. Und dabei kannst Du mir helfen.
O. k.?«
»Ja, natürlich â¦Â Aber ich hab noch eine wichtige
Frage â¦Â«
»???«
»Warum tut er das alles? WeiÃt Du den Grund? Hast Du
das herausgefunden?«
»Nein.«
»Er hat Geld, Zeit und eine ganz offensichtlich krankhafte Obsession. Aber warum â¦Â Deinetwegen?«
»Deshalb bin ich gekommen, Papa. Hast Du Mamas
Akten geholt?«
»???«
»Ich glaube, wir müssen bis dahin zurückgehen. War er
ein Patient von Mama? Er oder jemand, der ihm nahestand? Ich weià nichts darüber.«
»Ich habe, glaub ich, ein paar Akten. In einem Karton â¦
Hab nie reingeschaut.«
»Dann ist jetzt wohl der Moment gekommen!«
Frantz hat in seinem Mietwagen geschlafen. In der ersten Nacht vier Stunden auf dem Parkplatz des Supermarkts, in der zweiten Nacht zwei Stunden auf dem Parkplatz des Busbahnhofs. Tausendmal hat er seine Strategie bereut, tausendmal hat er beschlossen umzukehren, aber jedes Mal hat er weitergemacht. Er braucht einen kühlen Kopf, das ist alles. Sophie kann nirgendwo anders hin. Sie wird kommen. Notgedrungen. Sie ist eine gesuchte Verbrecherin, sie wird nicht zur Polizei gehen, sie wird entweder nach Hause zurückkehren oder hierherkommen, sie hat keine andere Wahl. Dennoch.
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