Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11
paar Gläser intus.
»Und was kann ich für Sie tun?« Ein alltägliches Geschäft: ein wechselseitiges Geben und Nehmen. Manchmal kam dabei für beide Beteiligten etwas heraus, manchmal nicht.
»Ich wüsste gerne, was Sie bislang erreicht haben.«
»Erreicht haben?«
»Wie weit Sie mit den Ermittlungen inzwischen gekommen sind? Wir erfahren ja nichts.«
»Kann man, glaube ich, so nicht sagen.«
Sie zündete sich eine Zigarette an, bot ihm aber keine an. »Also, sind Sie inzwischen weitergekommen?«
»Das erfahren Sie sofort, wenn wir selbst Näheres wissen.«
Sie richtete sich auf ihrem Stuhl auf. »Das genügt mir nicht.«
»Tut mir Leid.«
Ihre Augen verengten sich. »Ach, hören Sie schon auf. Die Familie hat ein Recht…«
»Im Allgemeinen wenden wir uns zuerst an die Witwe.«
»Seona? Da müssen Sie sich aber ganz weit hinten anstellen. Meine Schwägerin ist nämlich jetzt ein Medienstar, falls Sie es noch nicht wissen. Die Presse, das Fernsehen, alle reißen sich um die ›tapfere Witwe‹, die so selbstlos das Werk ihres Mannes fortführt.« Sie versuchte Seona Grieves Stimme zu imitieren: »›Roddy hätte das von mir erwartet.‹So ein Schwachsinn.«
»Wie meinen Sie das?«
»Kann sein, dass Roddy nach außen hin eher zurückhaltend erschienen ist, aber der Mann hatte Mumm. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er gewünscht hätte, dass seine Frau für das Parlament kandidiert. Jetzt steht sie plötzlich als Märtyrerin da, und er gerät völlig in den Hintergrund. Über den armen Mann spricht ja schon niemand mehr, wenn sie nicht gerade aus PR-Gründen seinen Namen missbraucht.«
Die beiden waren alleine in dem Lokal, trotzdem warf die Bedienung ihnen einen warnenden Blick zu.
»Etwas leiser«, sagte Rebus.
In Lornas Augen standen Tränen. Tränen des Selbstmitleids. »Ich habe ein Recht darauf, über den Stand der Ermittlungen informiert zu werden.« Ihre Augen erschienen wieder etwas klarer, als sie ihn jetzt ansah. »Sonderrechte«, sagte sie leise.
»Also, hören Sie mir mal zu«, sagte er, »was in dieser Nacht passiert ist…«
»Schluss damit.« Sie schüttelte den Kopf und leerte ihr Glas, um etwas Zeit zu gewinnen.
»Ich weiß, Sie machen gerade eine schwere Zeit durch. Und wenn ich kann, helfe ich Ihnen gerne, aber erpressen…«
Sie war aufgesprungen. »Ich frage mich, wieso ich eigentlich gekommen bin.«
Er stand ebenfalls auf und nahm ihre Hände. »Was haben Sie genommen, Lorna?«
»Nur ein paar… Hat mir der Arzt verschrieben. Vertragen sich halt nicht mit Alkohol.« Sie vermied es, ihn anzusehen. »Das ist alles.«
»Ich lass Sie von einem Streifenwagen…«
»Nein, nein. Ich nehm ein Taxi. Keine Sorge.« Sie versuchte zu lächeln. »Keine Sorge«, sagte sie dann wieder.
Er hob die Taschen für sie auf. Offenbar hatte sie ihre Einkaufstüten völlig vergessen. »Lorna«, sagte er dann. »Sind Sie je einem Mann namens Gerald Sithing begegnet?«
»Weiß ich nicht. Wer ist das?«
»Ich glaube, dass Hugh ihn kennt. Er leitet so eine merkwürdige Gruppe. Diese Leute bezeichnen sich als Ritter von Rosslyn.«
»Über diese Dinge spricht Hugh nicht mit mir. Er weiß, dass ich ihn sonst auslachen würde.« Sie schwankte zwischen Lachen und Weinen. Rebus führte sie von dem Tisch weg.
»Wieso fragen Sie?«
»Ist nicht so wichtig.« Gerade sah er, dass Grant Hood winkend auf der anderen Straßenseite stand. Siobhan Clarke und Ellen Wylie entluden ihre Autos. Hood bahnte sich einen Weg durch den Verkehr.
»Was ist los?«, fragte Rebus.
»Die Computer-Simulation aus Glasgow«, sagte Hood atemlos. »Wir haben jetzt einen Ausdruck.«
Rebus nickte gedankenverloren und sah dann Lorna Grieve an. »Vielleicht sollten Sie sich das mal anschauen«, sagte er.
Also gingen sie in das Revier, wo er Lorna in ein leeres Zimmer führte. Hood holte den Computerausdruck, während Rebus Tee besorgte. Lorna hatte um zwei Stücke Zucker gebeten, Rebus warf drei in ihre Tasse und sah dann zu, wie sie ihren Tee schlürfte.
»Und worum geht es?«, fragte sie.
»Ein Gesicht«, sagte er gedehnt und beobachtete sie. »Die Universität Glasgow hat es für uns nach einem Schädel rekonstruiert.«
»Queensberry House?«, sagte sie und schien über sein konsterniertes Gesicht amüsiert. »Total blöde bin ich ja nun auch nicht. Und wieso soll ich mir das Bild anschauen?« Doch dann begriff sie plötzlich. »Sie meinen, der Mensch auf dem Bild könnte Alasdair sein?« Sie zitterte jetzt am ganzen
Weitere Kostenlose Bücher