Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11
gab es Brote. Als sie gegen drei eine Kaffeepause einlegten, hatte Hood den Inhalt der Disketten bereits überflogen.
Er wickelte einen Schokoriegel aus und sagte: »Gott sei Dank hat Hastings sich den Computer erst relativ kurz vor seinem Verschwinden zugelegt.«
»Woher weißt du das?«
»Das Zeug auf den Disketten ist ausschließlich von '78, Anfang '79.«
»Mein Aktenordner reicht bis '75 zurück«, jammerte Siobhan Clarke.
» Wish You Were Here«, sagte Rebus. »Pink Floyd. September, glaub ich. Häufig unterschätzt.«
»Danke, Herr Professor«, sagte Wylie.
»Da wart ihr noch im Kindergarten, was?«
»Wenn ich könnte, würde ich das Zeug gerne ausdrucken«, sagte Hood nachdenklich. »Vielleicht sollte ich mal ein paar Computer-Läden anrufen…«
»Und was ist auf diesen Disketten drauf?«, fragte Rebus.
»Gebote für Bauland und Grundstücke… Baulücken und so etwas.«
»Und wo?«
»Calton Road, Abbey Mount, Hillside…«
»Und was wollte Hastings mit diesen Grundstücken anstellen?«
»Geht aus den Disketten nicht hervor.«
»Er hat also versucht, in der Gegend mehrere Grundstücke zu bekommen?«
»Sieht so aus.«
»Scheint so, als ob er große Pläne gehabt hätte«, bemerkte Wylie.
Rebus ging aus dem Zimmer und kam mit einem Stadtplan zurück. Er zog einen Kreis um Calten Road, Abbey Mount und Hillside Crescent. »Sagen Sie – hat er auch für Greenside Gebote abgegeben?«, sagte er. Hood setzte sich wieder an den Computer. Die anderen warteten.
»Ja«, sagte er schließlich. »Woher wissen Sie das?«
»Schauen Sie doch mal. Er hat versucht, im Umkreis des Calton Hill möglichst viele Grundstücke zu bekommen.«
»Und wieso?«, fragte Wylie.
»1979«, sagte Rebus. »Die Volksabstimmung über das Autonomiestatut.«
»Und dort sollte das Parlament seinen Sitz haben?« fragte Siobhan.
Rebus nickte. »Ja – in der alten Royal High School.«
Nun verstand auch Wylie, worauf er hinauswollte. »Die Grundstückspreise in der Gegend wären natürlich immens gestiegen, wenn die Befürworter der Autonomie gewonnen hätten.«
»Also hat er darauf spekuliert, dass die Autonomie kommt«, sagte Siobhan. »Und er hat verloren.«
»Aber hat er denn überhaupt so viel Geld gehabt?«, fragte Rebus. »Auch in den – für Sie schon prähistorischen – Siebzigern waren die Grundstücke in der Gegend nicht gerade billig.«
»Und falls er das nötige Geld nicht gehabt hat?«, fragte Hood.
Ellen Wylie beantwortete die Frage: »Dann vielleicht jemand anderer.«
Wenigstens wussten sie jetzt, wonach sie suchten: Belege über finanzielle Transaktionen, Hinweise darauf, ob außer Hastings selbst und Alasdair Grieve noch Dritte an diesen Geschäftsvorgängen beteiligt gewesen waren. Alle machten Überstunden, obwohl Rebus es jedem von ihnen freistellte, nach Hause zu gehen. Doch inzwischen waren sie zu einem verschworenen Team zusammengewachsen. Alle erledigten klaglos ihre Arbeit, und keiner wollte diese Magie zerstören. Als Rebus einmal auf den Gang hinausging, um sich die Beine zu vertreten, war er plötz
lich allein mit Ellen Wylie.
»Und – fühlen Sie sich noch immer ausgenutzt?«, fragte er.
Sie blieb stehen und sah ihn an. »Wie meinen Sie das?«
»Sie waren doch der Meinung, dass ich Grant und Sie nur ausnutze. Ist das immer noch Ihr Eindruck?«
»Frag ich mich selbst«, sagte sie und verschwand.
Um sieben Uhr abends lud er sie zum Essen in Howie's Restaurant ein. Sie sprachen über den Stand der Ermittlungen und entwickelten die verschiedensten Theorien. Siobhan wollte wissen, wann genau das Referendum stattgefunden hatte.
»Am ersten März«, entgegnete Rebus.
»Und Skelly ist Anfang '79 umgebracht worden. Könnte also unmittelbar nach der Abstimmung gewesen sein.«
Rebus zuckte mit den Achseln.
»Die Bauarbeiten im Untergeschoss von Queensberry House waren am achten März zu Ende«, sagte Wylie. »Ungefähr eine Woche später sind Freddy Hastings und Alasdair Grieve plötzlich verschwunden.«
»So weit wir wissen«, gab Rebus zu bedenken.
Hood schnitt auf seinem Teller ein Stück von seinem Steak ab und nickte nur. Rebus war in Spendierlaune. Deshalb hatte er eine Flasche Hauswein kommen lassen, die noch halb voll auf dem Tisch stand. Siobhan trank lieber Wasser. Wylie hatte zwar ein Glas Wein vor sich, aber noch nichts davon getrunken. Hoods Glas war leer, doch der junge Mann wollte sich nicht nachschenken lassen.
»Wieso will mir bloß dieser Bryce Callan nicht aus dem
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