Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11
halten.«
»Danke, Sir.« Er ging Richtung Tür.
»Inspektor, das ist mein völliger Ernst.«
Rebus nickte nur. Als er in den Lageraum kam, saß bloß Roy Frazer an seinem Schreibtisch und las Zeitung. »Schon gelesen?«, fragte Rebus und schnappte sich ein anderes Blatt. Frazer nickte. »Durchfall«, erklärte Rebus und rieb sich den Bauch. »Nehmen Sie bitte meine Gespräche entgegen und sagen Sie, dass ich gerade außer Gefecht bin.«
Frazer nickte und lächelte. Samstags morgens in aller Ruhe auf dem Klo die Zeitung lesen: Fast jeder von ihnen hatte das schon mal gemacht.
Rebus ging rasch auf den Parkplatz hinaus, sprang in seinen Saab und wählte auf dem Handy Bobby Hogans Nummer.
»Bin schon da, Kumpel«, sagte Hogan.
»Wo?«
»Vor dem Bellman's. Aber der Laden ist noch zu.«
»Reine Zeitverschwendung. Setz dich lieber mit deinen Kontaktleuten in Verbindung.« Rebus fuhr los. Er blätterte in seinem Notizbuch und las Hogan dann die Beschreibung des Mannes vor, den der Zeuge in der Mordnacht vor Queensberry House gesehen hatte.
»Ein harter Typ, der einschlägige Lokale zu bevorzugen scheint«, sagte Hogan nachdenklich, als Rebus fertig war. »Aber wo, zum Teufel, findet man heutzutage in Leith noch so einen klassischen Profigangster?«
Rebus kannte ein paar Kneipen dieser Art. Es war elf Uhr früh: Öffnungszeit. Der Himmel war bedeckt. Die Wolken hingen so tief über Arthur's Seat, dass nur hier und da Teile des Felsmassivs zu erkennen waren. Genau wie dieser verdammte Fall, dachte Rebus. Immer wieder ein kurzer Blick auf irgendein Detail, doch nie wurde das ganze Gebäude sichtbar.
In Leith war es ruhig. Die Leute verspürten bei dem Wetter anscheinend wenig Lust, die Wohnung zu verlassen. Rechts und links Teppichgeschäfte, Tätowierungssalons, Leihhäuser, Waschsalons und Beratungs- und Zahlstellen des Sozialministeriums, die wegen des Wochenendes geschlossen waren. An den meisten Tagen hatten sie mehr Zulauf als die angrenzenden Läden. Er parkte seinen Wagen in einer Sackgasse und schloss ihn ab. Um zwölf Minuten nach elf betrat er die erste Kneipe. Er bestellte einen Kaffee. Der Barmann hatte schon eine Tasse vor sich stehen. Zwei alte Stammkunden hockten vor dem Fernseher und qualmten die Bude voll: offenbar ihre Hauptbeschäftigung, der sie mit geradezu rituellem Ernst nachgingen. Der Barmann war nicht sehr gesprächig, nicht mal Kaffee schenkte der Mann ihm nach. Also weiter.
Draußen auf der Straße klingelte Rebus' Handy: Bill Nairn.
»Was, du arbeitest sogar am Samstag, Bill?«, sagte Rebus. »Wieso denn das?«
»Hier im Knast ist immer was los. Übrigens, ich hab mir mal die Unterlagen von diesem Rab Hill näher angesehen.«
»Ja und?« Rebus blieb unvermittelt stehen. Ein paar Passanten mussten einen Bogen um ihn machen. Meist ältere Leute, die kaum noch die Füße vom Pflaster brachten. Solche Leute hatten natürlich kein Auto, um in eines der Einkaufszentren am Stadtrand zu fahren. Und nicht genügend Energie, um den Bus nach Edinburgh zu nehmen.
»Nicht viel Neues. Der Mann ist wegen guter Führung entlassen worden. Hat eine Adresse in Edinburgh angegeben. Und bei seiner Bewährungshelferin hat er sich auch schon gemeldet…«
»Und – wie sieht es mit Krankheiten aus, Bill?«
»Hat gelegentlich über Bauchweh geklagt. Als die Beschwerden nicht besser geworden sind, haben wir ihn untersuchen lassen. Aber keine besonderen Befunde.«
»In demselben Krankenhaus wie Cafferty?«
»Ja, aber ich sehe trotzdem…«
»Wie lautet seine Adresse in Edinburgh?«
Nairn nannte ihm die genauen Daten: ein Hotel in der Princes Street. »Schön«, sagte Rebus und ließ sich noch die Daten der Bewährungshelferin durchgeben. »Danke, Bill. Ich melde mich wieder.«
Auch im zweiten Lokal war die Luft schon zum Schneiden. Auf dem Teppichboden lag noch der Müll vom Vorabend. An der Bar standen drei Männer und tranken Whisky. Sie hatten die Ärmel hochgerollt, damit jeder ihre Tätowierungen sehen konnte. Als er hereinkam, musterten sie ihn von oben bis unten, fühlten sich aber durch seine Anwesenheit offenbar nicht weiter gestört. Rebus kannte den Barmann. Er hockte sich an einen Ecktisch, trank ein kleines Bier und rauchte eine Zigarette. Nach ein paar Minuten kam der Barmann zu ihm an den Tisch, um den fast leeren Aschenbecher zu leeren, und Rebus richtete flüsternd ein paar Fragen an ihn. Der Mann schüttelte nur unmerklich den Kopf. Entweder wusste er tatsächlich nichts, oder er
Weitere Kostenlose Bücher