Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11
Flut von Erinnerungen aus. Rebus beobachtete, wie es in Grieves Kopf arbeitete. »So ein mieser Kerl«, sagte Grieve. »Gibt's den auch noch?«
»Einer der großen Baulöwen unserer Stadt.«
Grieves Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. »Mein Gott«, stammelte er.
»Also gut«, sagte Rebus und stützte sich mit den Ellbogen auf die Schreibtischplatte. »Jetzt wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie uns sagen, wer die Leiche in dem Kamin ist.«
Grieve sah ihn verständnislos an. »Die was?«
Als Rebus den Sachverhalt erläuterte, nickte Grieve mit dem Kopf.
»Hutton muss die Leiche dort versteckt haben. Hat damals in Queensberry House gearbeitet und Dean Coghill im Auftrag seines Onkels ein bisschen auf die Finger geschaut.«
»Bryce Callan.«
»Eben der. Callan hat seinen Neffen damals systematisch aufgebaut. Scheint so, als ob er erstklassige Arbeit geleistet hat.«
»Und Sie haben zu der Zeit mit Callan gemeinsame Sache gemacht?«
»So würde ich das nicht nennen.« Grieve machte Anstalten aufzustehen, hielt dann aber mitten in der Bewegung inne. »Was dagegen? Mir wird es hier ein bisschen eng.«
Grieve ging in dem kleinen Raum auf und ab. Siobhan stand neben der Tür. Sie lächelte ihn freundlich an. Rebus gab ihm ein Foto – das computergenerierte Gesicht der Kaminleiche.
»Wie viel wissen Sie denn überhaupt?«, wollte Grieve von Rebus wissen.
»Eine ganze Menge. Callan hat damals in der Nähe des Calton Hill wie wild Bauland aufgekauft, weil er auf das neue Parlament spekuliert hat. Allerdings sollte die Planungsbehörde nicht erfahren, wer hinter den Transaktionen steckt. Deshalb hat er Freddy und Sie vorgeschickt.«
Grieve nickte. »Bryce hatte beste Kontakte zu einem Stadtrat, zu jemandem aus dem Planungsausschuss.« Rebus und Siobhan sahen sich an. »Dieser Mann hatte Bryce mit der Information versorgt, dass das Parlament dort gebaut werden soll.«
»Trotzdem ziemlich riskant: Das hing doch vom Ausgang des Volksentscheids ab.«
»Ja, aber anfangs schien die Sache klar. Erst als die Klausel eingebaut wurde, dass mindestens vierzig Prozent der Wahlberechtigten für die Autonomie stimmen müssen, ist die Sache gekippt. Aber genau dieses Ziel hat die Regierung ja verfolgt.«
»Na schön. Dann hatte Callan jetzt also die vielen Grundstücke, nur dass die erhofften Spekulationsgewinne ausblieben.«
»Aber die Grundstücke waren auch so ziemlich wertvoll. Und plötzlich sollten wir für alles verantwortlich sein.« Grieve lachte. »Als ob wir den Wahlausgang manipuliert hätten.«
»Und dann?«
»Na ja… Freddy hatte sich da auf so ein Spiel eingelassen. Er hat Callan nämlich erzählt, dass wir für die Grundstücke mehr bezahlt hatten, als tatsächlich der Fall war. Callan hat das irgendwie herausgefunden und wollte plötzlich von uns die Differenz zurückhaben und außerdem noch die Provision, die er uns dafür gezahlt hatte, dass wir ihm quasi unseren Namen zur Verfügung gestellt hatten.«
»Also hat er Ihnen jemanden auf den Hals geschickt?«, mutmaßte Rebus.
»Richtig, einen Kerl namens Mackie.« Grieve wies auf das Foto. »Einen von seinen Schlägern, ein richtig mieses Schwein.« Er rieb sich die Schläfen. »Mein Gott, Sie können sich nicht vorstellen, wie merkwürdig es ist, über diese ganzen Geschichten nach so langer Zeit zu sprechen…«
»Mackie?«, hakte Rebus nach. »Und der Vorname – Chris?«
»Nein, nicht Chris: Alan oder Alex… oder so was. Wieso?«
»Weil Freddy sich später selbst so genannt hat.« Ob vielleicht ebenfalls aus Schuldgefühlen, überlegte Rebus. »Und wie ist dieser Mackie ums Leben gekommen?«
»Callan hat ihn uns damals auf den Hals geschickt, damit wir Schiss bekommen und zahlen. Und der Kerl konnte einem wirklich Angst einjagen. Freddy hat nur Glück gehabt. Er hatte ein Messer in der Schublade, eine Art Brieföffner. Dieses Ding hat er an dem Abend für alle Fälle mitgenommen. Eigentlich sollten wir Callan treffen, um mit ihm diese Geschichte zu klären. Spätabends auf einem Parkplatz an der Cowgate…, Freddy und ich hatten die Hosen gestrichen voll.«
»Aber Sie sind trotzdem hingegangen?«
»Zuerst wollten wir abhauen… na ja, aber dann sind wir trotzdem hingegangen. Einen Bryce Callan versetzt man nicht so ohne weiteres. Allerdings war Bryce überhaupt nicht dort, sondern nur diese Kreatur Mackie. Der Kerl hat mir gleich zur Begrüßung ein paar Schläge gegen den Kopf versetzt – bis heute bin ich deshalb auf einem Ohr halb taub.
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