Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11
Dann wollte er sich auf Freddy stürzen. Der Mensch hatte einen Revolver dabei und hat mit dem Knauf auf mich eingeschlagen. Freddy war noch in viel größerer Gefahr… da bin ich mir ganz sicher. Diese krumme Tour war nämlich seine Idee gewesen, und das wusste Callan. Trotzdem war es Notwehr, das kann ich beschwören. Ja, ich glaube nicht mal, dass er diesen Mackie umbringen wollte – er wollte ihn sich nur vom Leibe halten.«
»Und dabei hat er ihm direkt ins Herz gestochen«, sagte Rebus.
»Richtig«, sagte Grieve. »War uns sofort klar, dass der Mensch tot ist.«
»Und was haben Sie dann gemacht?«
»Ihn in seinen Wagen gepackt – und dann nichts wie weg. Wir waren beide der Meinung, dass es am besten ist, wenn wir uns trennen. Schließlich war uns völlig klar, dass wir ab sofort auf Callans Abschussliste stehen.«
»Und das Geld?«
»Ich hab zu Freddy gesagt, dass ich damit nichts zu tun haben will. Dann hat er vorgeschlagen, dass wir uns auf den Tag genau in einem Jahr in einer Bar in der Frederick Street wieder treffen sollen.«
»Aber Sie sind nicht gekommen.«
Grieve schüttelte den Kopf. »Ich hatte mir inzwischen eine neue Identität zugelegt und mich an meine neue Umgebung gewöhnt.«
Aber Freddy muss ebenfalls gereist sein, dachte Siobhan. Sonst hätte er Dezzi nicht all diese Sachen erzählen können.
Als Alasdair ein Jahr später an dem vereinbarten Tag nicht aufgetaucht war, war Freddy Hastings in der George Street, die nicht weit von der Frederick Street entfernt war, schnurstracks in die Filiale der Bausparkasse marschiert und hatte dort auf den Namen C. Mackie ein Konto eröffnet…
»Er hat das ganze Geld in einer Aktentasche mit sich herumgeschleppt«, sagte Siobhan.
Grieve sah sie an. »Ach ja, die Tasche – die hat eigentlich Dean Coghill gehört.«
»… und die Initialen ADC.«
»Ich glaube, Dean heißt er mit zweitem Namen, der erste hat ihm wohl nicht so gefallen. Barry Hutton hat uns in der Tasche mal 'ne riesige Barsumme überreicht. Er war sogar noch stolz darauf, dass er sie Coghill einfach weggenommen hatte: ›Weil ich nämlich das Sagen habe und weil dieser blöde Coghill nichts dagegen machen kann.‹« Er schüttelte den Kopf.
»Mr. Coghill ist tot«, sagte Siobhan.
»Das geht ebenfalls auf Bryce Callans Konto.«
Rebus wusste genau, was Grieve meinte, auch wenn Coghill eines natürlichen Todes gestorben war.
Rebus und Siobhan waren jetzt ein verschworenes Team.
»Wo stehen wir eigentlich mit den Ermittlungen?«, fragte sie.
»Vor einem großen Haufen etwas wirrer Details«, räumte er ein. »Da ist zum Beispiel Barry Hutton, der nach Mackie sucht und die Leiche in der Nähe von Queensberry House findet. Also bringt er den Toten dorthin und versteckt ihn in der Wandnische. Vermutlich hat er geglaubt, dass die Leiche dort ewig unentdeckt bleibt.«
»Wieso?«
»Ja, wer sollte sich denn dafür interessieren?«
»Und wieso hat niemand Mackie als vermisst gemeldet?«
»Mackie war Bryce Callans Mann. Glauben Sie, der hat ihn als vermisst gemeldet?«
»Und Freddy Hastings bringt sich um, als er die Geschichte in der Zeitung liest?«
Rebus nickte. »Plötzlich steht alles wieder vor ihm, und er kommt damit einfach nicht klar.«
»Kann ich nicht ganz nachvollziehen.«
»Was?«
»Ja, Freddys Verhalten. Er hatte doch gar keinen Grund, sich umzubringen. Er war doch völlig aus der Schusslinie…«
»Es gibt da ein Problem, das noch weit schwerer wiegt«, sagte Rebus. »Spricht alles dafür, dass Callan und Hutton völlig ungeschoren davonkommen.«
Siobhan lehnte sich gegen ihren Schreibtisch und verschränkte die Arme. »Ja, stimmt. Die beiden haben ja im strikten Sinne nichts verbrochen. Sie haben weder Mackie umgebracht noch Freddy Hastings von der North Bridge gestoßen.«
»Obwohl sie für das alles die Verantwortung tragen.«
»Und dieser Callan lebt inzwischen im Ausland, und Barry Hutton spielt den angesehenen Großunternehmer.« Er quittierte ihre Bemerkung nur mit Schweigen. »Oder sehen Sie das anders?« Dann fiel ihr wieder ein, was Alasdair Grieve bei seiner Vernehmung gesagt hatte.
»Bryce hatte beste Kontakte zu einem Stadtrat«, zitierte sie ihn.
»Zu jemandem aus dem Planungsausschuss«, führte Rebus das Zitat zu Ende.
38
Sie brauchten ungefähr eine Woche, um alles zu einem Gesamtbild zusammenzufügen. Das ganze Team arbeitete auf Hochtouren. Derek Linford war inzwischen wieder zu Hause und nahm seine Mahlzeiten per Strohhalm ein.
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