Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11
länger arbeiten, nur nicht nach Hause gehen. Keinen Streit mehr über Politik, aber auch keine Kissenschlachten mehr. Nur noch das eine: das unleugbare Gefühl des Scheiterns. Sammy sollte darunter nicht zu leiden haben, so die unausgesprochene Vereinbarung zwischen ihnen. Der letzte Pakt zwischen Ehemann und Ehefrau. Und dann hatte Rhona ihm eines Tages eröffnet, dass er ihr völlig fremd geworden sei, und war einfach weggegangen und hatte ihre gemeinsame Tochter mitgenommen…
An einen Streit zwischen seinen eigenen Eltern konnte er sich nicht erinnern. Richtig. Das Geld war immer ein Problem gewesen. Jede Woche hatten sie etwas für die Ferien der Jungen beiseite gelegt. Ja, sie hatten wirklich jeden Pfennig umgedreht. Aber Johnny und Mike hatte es trotzdem nie an etwas gefehlt. Sicher, sie hatten geflickte und gestopfte Sachen getragen. Aber sie hatten immer gut zu essen bekommen und außerdem ein Weihnachtsgeschenk und waren einmal im Jahr in die Ferien gefahren. Und dann hatten sie im Liegestuhl gelegen und auf dem Marsch zurück zum Wohnwagen hatte es reichlich Pommes und Eiscreme gegeben. Manchmal hatten sie auch Minigolf gespielt oder einen Ausflug nach Craigtoun Park gemacht. Dort gab es eine Miniaturbahn, mit der man schließlich irgendwo im Wald vor einer Ansammlung von Elfenhäuschen landete.
Alles war damals so einfach, so unschuldig gewesen.
»Und dann hat er immer mehr getrunken«, sagte sie jetzt, »deshalb bin ich wieder nach St. Andrews gezogen und habe Peter mitgenommen.«
»Hat er zu der Zeit viel getrunken?«
»Er hat es heimlich getan und die Flaschen in seinem Arbeitszimmer versteckt.«
»Seona sagt, dass er nicht viel getrunken hat.«
»Ja, was soll sie sonst auch sagen.«
»Um seinen guten Namen zu schützen?«
Billie Collins seufzte. »Ich weiß nicht, ob ich Roddy einen Vorwurf machen kann. Schuld war seine Familie, die erstickende Atmosphäre, die diese Leute um sich verbreiten.« Sie sah ihn an. »Er wollte schon immer als Abgeordneter ins Parlament gehen. Und jetzt hätte er es fast geschafft…«
Rebus rutschte auf der Bank hin und her. »Ich habe gehört, dass er Cammo geradezu angebetet hat.«
»Nicht ganz das richtige Wort, aber er wollte auch ein bisschen was von dem erreichen, was Cammo geschafft hat.«
»Und das heißt?«
»Cammo kann charmant und rücksichtslos sein. Manchmal ist er gerade dann besonders rücksichtslos, wenn er seinen ganzen Charme ausspielt. Diese Seite seines Bruders hat Roddy imponiert: die Fähigkeit zu intrigieren.«
»Aber er hatte doch nicht nur diesen einen Bruder.«
»Ach so, Sie meinen Alasdair?«
»Haben Sie ihn gekannt?«
»Ich mochte Alasdair, aber ich kann ihm nicht vorwerfen, dass er weggegangen ist.«
»Wann ist er weggegangen?«
»Ende der Siebziger – neunundsiebzig, glaube ich.«
»Wissen Sie, warum er weggegangen ist?«
»Nicht genau. Er hatte einen Geschäftspartner: Frankie oder Freddy oder so ähnlich. Es hieß damals, dass sie zusammen weggegangen sind.«
»Eine Liebesbeziehung?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Ich hab es jedenfalls nicht geglaubt und Alicia auch nicht, obwohl sie, glaube ich, nichts gegen einen Homosexuellen in der Familie gehabt hätte.«
»Und was hat Alasdair so gemacht?«
»Alles Mögliche. Eine Zeit lang hatte er ein Restaurant: Das Mercurio in der Dundas Street. Ich glaube, es hat seinen Namen seither ein Dutzend Mal geändert. Aber er ist mit seinen Mitarbeitern nicht zurechtgekommen. Danach hat er ein bisschen mit Immobilien gehandelt. Ich glaube, dieser Frankie oder Freddy war auch aus der Branche. Außerdem hat er Geld in einige Bars investiert. Wie gesagt, Inspektor, alles Mögliche.«
»Also nichts mit Kunst oder mit Politik?«
Sie schnaubte verächtlich. »Um Himmels willen, nein. Dazu war Alasdair ein viel zu nüchterner Mensch.« Sie machte eine kurze Pause. »Aber was hat Alasdair mit Roddy zu tun?«
Rebus schob die Hände in die Manteltaschen. »Ich möchte Roddy nur etwas besser kennen lernen. Alasdair ist nur ein weiterer Stein in dem Mosaik.«
»Bisschen spät, um ihn kennen zu lernen, finden Sie nicht?«
»Wenn ich ihn besser kenne, kann ich mir vielleicht leichter vorstellen, wer seine Feinde waren.«
»Aber wir kennen doch häufig nicht einmal selbst unsere ärgsten Feinde. Der Wolf im Schafspelz und so weiter.«
Er nickte zustimmend, streckte die Beine aus und legte sie übereinander. Genau in diesem Augenblick erhob sich Billie Collins. »Von hier bis Kinkell
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