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Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11

Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11

Titel: Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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Haare hingen seitlich wirr an seinem Kopf herunter. Er fing wieder an zu reden, doch sie kehrte ihm einfach den Rücken zu. Der Beamte an der Rezeption grinste.
    »Lassen Sie das«, sagte sie warnend.
    »Ich habe gehört, dass Onkel Chris gestorben ist«, sagte er und ignorierte einfach ihren erhobenen Zeigefinger. Auf dem Weg zur Treppe hörte sie noch, wie er sagte: »Er hat versprochen, dass er mir ein schönes Erbe hinterlässt, wenn er mal nicht mehr da ist. Kommen Sie schon, Siobhan? Ich will doch gar nicht viel, nur ein paar tausend Pfund von meinem lieben Onkel Chris.«
    Als sie wieder nach oben kam, läutete gerade ihr Telefon. Sie nahm den Hörer ab und rieb sich mit der freien Hand die Schläfen.
    »Ja«, sagte sie knapp.
    »Hallo?« Eine Frauenstimme.
    »Ich nehme mal an, ich habe es mit der Schwester des Verstorbenen zu tun.«
    »Nein, hier spricht Sandra. Sandra Carnegie.«
    Der Name sagte ihr im ersten Augenblick überhaupt nichts.
    »Wir waren zusammen im Marina«, erklärte die Stimme.
    Clarke schloss gequält die Augen. »Oh, verdammt, ja. Entschuldigen Sie, Sandra.«
    »Ich ruf nur an, um zu fragen…«
    »Ein schrecklicher Tag heute«, sagte Clarke.
    »…, ob Sie schon eine Spur haben. Mir sagt ja keiner was.«
    Clarke seufzte. »Tut mir Leid, Sandra. Ich bearbeite den Fall nicht mehr. Wer ist Ihr Ansprechpartner bei der Kriminalpolizei?«
    Sandra Carnegie murmelte etwas Unverständliches.
    »Ich verstehe Sie nicht.«
    Dann ein Wutausbruch: »Ich hab nur gesagt, dass ihr alle gleich seid. Erst seid ihr wahnsinnig besorgt, aber dann tut ihr nichts, um den Kerl zu erwischen. Immer wenn ich auf die Straße gehe, hab ich Angst, dass er mich beobachtet. Immer muss ich denken: Ist der Kerl vielleicht im selben Bus oder irgendwo auf der Straße?« Die Wut wich jetzt Tränen. »Und ich hab gedacht, dass Sie…, damals abends haben wir doch…«
    »Tut mir Leid, Sandra.«
    »Sagen Sie das nicht ständig. Hören Sie endlich damit auf, verdammt noch mal!«
    »Vielleicht kann ich ja mal mit den Kollegen reden…« Doch die Leitung war schon tot. Siobhan legte den Hörer auf, nahm ihn dann wieder von der Station und legte ihn auf den Schreibtisch. Irgendwo hatte sie doch Sandras Nummer. Aber dann sah sie das Chaos auf ihrem Schreibtisch. Aussichtslos.
    Und die Kopfschmerzen wurden immer schlimmer.
    Und die Betrüger und die Irren waren ihr auf den Fersen.
    Wozu dieser Scheißberuf, wenn man sich so beschissen dabei fühlte?

17
    Genau der richtige Morgen für eine Fahrt aufs Land: der Himmel milchig-blau mit dünnen Wolkenstreifen, fast kein Verkehr und Page/Plant im Kassettenspieler. Vielleicht würde die lange Fahrt ihm ja dabei helfen, wieder etwas klarer im Kopf zu werden. Außerdem musste er nicht zur Lagebesprechung. Linford hatte die Bühne ganz für sich.
    Rebus fuhr stadtauswärts. Der morgendliche Berufsverkehr schwappte ihm entgegen. Lange Schlangen auf der Queensferry Road, der übliche Stau am Barnton-Rondell. Auf manchen Autodächern noch Schnee. Der Winterdienst war schon ganz früh im Einsatz gewesen. Rebus hielt an einer Tankstelle und spülte ein paar Paracetamol mit einer Dose Irn-Bru hinunter. Als er über die Forth Bridge fuhr, sah er, dass man die Mil-lenniums-Uhr bereits auf der Eisenbahnbrücke in Stellung gebracht hatte – ein Hinweis, auf den er eigentlich verzichten konnte. Er musste an eine Paris-Reise denken, die er mal mit seiner Ex-Frau gemacht hatte… war das wirklich schon zwanzig Jahre her? In der Rue Beaubourg hatte er damals eine ganz ähnliche Uhr gesehen, nur dass die Zeiger stehen geblieben waren.
    Und jetzt unternahm er gewissermaßen eine Zeitreise, tauchte wieder in die Ferientage seiner Kindheit ein. Als er von der M90 abbog, war er überrascht, dass er noch über dreißig Kilometer zu fahren hatte. War St. Andrews tatsächlich so weit weg? Meist hatte ein Nachbar sie früher dort hingefahren: Mutter und Vater Rebus, ihn selbst und seinen Bruder. Zu dritt hatten sie sich auf den Rücksitz gequetscht, die Taschen zwischen den Beinen, Bälle und Badetücher auf dem Schoß. Die Fahrt hatte damals einen ganzen Vormittag gedauert. Die halbe Nachbarschaft hatte zum Abschied gewinkt, als ob sie auf eine Expedition gingen. Ja, tatsächlich führte die Reise sie in den dunklen Kontinent von Nordost-Fife, und ihr Ziel war ein Campingplatz, wo ein Vier-Kojen-Wohnwagen sie erwartete, in dem es nach Mottenkugeln roch und nach verbranntem Gas. Abends hatten sich dann in der

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