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Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11

Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11

Titel: Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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lebe.«
    »Nun, dann passiert hier offenbar nicht allzu viel?«
    »Nur die üblichen Schülerstreiche.«
    »Und das erste Mal?«
    »Wie bitte?«
    »Ja, der andere Polizist.«
    »Oh, das war letzten Monat. Die abgetrennte Hand.«
    Rebus nickte. Er hatte über die Sache gelesen. Ein Studentenstreich. In der Pathologie waren ein paar Sachen verschwunden und dann irgendwo in der Stadt wieder aufgetaucht.
    »Einen Dummejungenstreich nennt man das wohl«, sagte Billie Collins. Sie war groß gewachsen und knochig gebaut. Ausgeprägte Wangenknochen und schwarzes, etwas sprödes Haar. Auch Seona Grieve war Lehrerin. Roddy Grieve hatte also zweimal eine Lehrerin geheiratet. Sie hatte eine ausgeprägte Stirn und tief liegende Augen. Hinzu kam eine markante Nase. Maskuline Züge, die noch durch ihre tiefe Stimme unterstrichen wurden. Sie trug flache schwarze Schuhe und einen langen marineblauen Rock. Der einzige Schmuck an ihrem ebenfalls blauen Pullover war eine große keltische Brosche.
    »Eine Art Initiationsritus?«, fragte Rebus.
    »Ja. Die Studenten aus dem dritten Jahr stellen die Anfänger auf eine Art Mutprobe. Alle verkleiden sich, und natürlich trinken sie viel zu viel.«
    »Und dann ab in die Pathologie.«
    Sie sah ihn an. »So etwas ist meines Wissens bisher noch nie vorgekommen. Ein Anatomie-Streich. Die Hand hat man später auf der Schulhofmauer gefunden. Einige meiner Mädchen mussten sogar behandelt werden, weil sie einen Schock erlitten hatten.«
    »Mein Gott.«
    Sie schlenderten gemächlich dahin. Rebus wies auf eine Bank, auf der sie in gebührlichem Abstand Platz nahmen. Billie Collins zog ihren Rock nach unten.
    »Also waren Sie früher häufig in den Ferien hier?«, fragte sie.
    »Ja, fast jeden Sommer. Wir haben da drüben am Strand gespielt oder sind zur Burg hinaufgegangen… Es gab dort eine Art Verlies.«
    »Das Flaschen-Verlies.«
    »Genau.«
    »Und einen Gespensterturm…«
    »St. Rule's. Der ist gleich neben der Kathedrale.«
    »Wo ich meinen Wagen abgestellt habe?« Sie nickte und er lachte. »Ist mir als Kind alles viel weitläufiger vorgekommen.«
    »Damals haben Sie sicher gedacht, dass es von St. Rule's zu dem Minigolfplatz ziemlich weit ist, nicht wahr?« Sie dachte kurz nach. »Aber vielleicht war es das ja auch.«
    Er nickte langsam und ahnte ungefähr, was sie meinte. Offenbar wollte sie sagen, dass die Vergangenheit sehr weit zurücklag und dass man ihr nie mehr einen Besuch abstatten konnte. Er hatte sich von dem weitgehend unveränderten Erscheinungsbild der Stadt täuschen lassen. Nein, die Stadt hatte sich zwar kaum verändert, aber er selbst hatte sich verändert. Und das war das Entscheidende.
    Sie holte tief Luft und legte die Hände auf den Schoß. »Sie möchten mit mir über meine Vergangenheit reden, Inspektor, nicht wahr, und das ist ein schmerzliches Thema. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich lieber nicht darüber sprechen. Mir sind nur wenige glückliche Erinnerungen geblieben, und für die interessieren Sie sich ja ohnehin nicht.«
    »Ich verstehe ja…«
    »Das kann ich mir kaum vorstellen. Als Roddy und ich zusammengekommen sind, waren wir noch zu jung. Zweites Jahr an der Uni, hier an diesem Ort. Wir waren glücklich hier, vielleicht habe ich es deshalb geschafft, später trotzdem hier zu bleiben. Aber als Roddy dann den Job im Schottland-Ministe-rium bekommen hat…« Sie zog ein Taschentuch aus ihrem Ärmel hervor. Nicht dass sie den Tränen nahe gewesen wäre, nein, sie zupfte vielmehr daran herum und starrte auf den bestickten Rand des Tuches. Offenbar half ihr das dabei, sich zu konzentrieren. Rebus blickte aufs Meer hinaus und stellte sich Spionageschiffe vor – wahrscheinlich hatte er damals in Wahrheit nur schlichte Fischdampfer gesehen, und den Rest hatte seine Fantasie hinzuerfunden.
    »Peter ist zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt auf die Welt gekommen«, fuhr sie fort. »Roddy hat damals Tag und Nacht geschuftet. Wir haben im Haus seiner Eltern gewohnt. Von Vorteil war auch nicht unbedingt, dass sein Vater krank war. Und dann habe ich außerdem noch unter postnatalen Depressionen gelitten…, na ja, jedenfalls war es die Hölle.« Sie hob den Kopf. Vor ihr lag der Strand, und der Labrador sprang fröhlich herum und apportierte zum hundertsten Mal denselben Stock. Doch sie sah etwas völlig anderes. »Roddy hat sich immer mehr in die Arbeit geflüchtet. Wahrscheinlich seine Art, damit fertig zu werden, nehm ich an.«
    Damit kannte Rebus sich aus: immer

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