Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11

Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11

Titel: Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
Vom Netzwerk:
verschluckte den Campingplatz, den Minigolfplatz und den St. Rule's Tower. Sie verschluckte aber auch Verbrechen, Schmerzen und Kummer. Sobald man sich der Dunkelheit überließ, sah man plötzlich Dinge, die andere nicht sahen, auch wenn man sie meist nicht benennen konnte: eine Bewegung hinter einem Vorhang, einen Schatten unten auf der Straße.
    »Siehst du, wie der Bass Rock leuchtet?«, sagte George.
    »Ja.«
    »Was du da siehst, ist nichts weiter als Vogelscheiße im Sonnenlicht.« Er stand auf. »Bleib ruhig noch 'n bisschen sitzen, ich besorg uns einen Kaffee.«
    Und so hockte Rebus vor dem Fenster und starrte hinaus in den herrlichen Wintertag – während seine Gedanken im Dunkeln kreisten. Was wohl in Edinburgh auf ihn wartete? Ob Lorna ihn sehen wollte? Als George mit dem Kaffee zurückkehrte, sagte er, dass oben noch ein Zimmer frei sei.
    »Sieht aus, als könntest du ein paar Stunden Schlaf gebrauchen.«
    »Jesus, Mann, führe mich bloß nicht in Versuchung.« Er trank seinen Kaffee schwarz.

18
    Auf den Korridoren des Krankenhauses herrschte professionelle Betriebsamkeit. Schwestern öffneten und schlossen Türen. Ärzte studierten Tabellen, während sie ihre Visite absolvierten. Weit und breit kein Bett, nur Warte- und Behandlungszimmer, Büros. Derek Linford konnte Krankenhäuser nicht ausstehen. Er hatte gesehen, wie seine Mutter in einem gestorben war. Sein Vater war zwar noch am Leben, doch sie hatten kaum Kontakt. Nur hier und da mal ein Telefonat. Als Derek sich das erste Mal dazu bekannt hatte, dass er die Konservativen wählte, hatte sein Vater sich von ihm abgewandt. Ja, so war er nun einmal: halsstarrig und ständig unzufrieden. »Was hast du denn mit der Arbeiterklasse gemeinsam?«, hatte er seinen Vater giftig gefragt. »Du arbeitest doch schon seit zwanzig Jahren nicht mehr.« Ja, das stimmte: arbeitsunfähig wegen eines Grubenunfalls. Immer, wenn es ihm gerade passend erschien, fing der Alte an zu hinken, aber wenn er seine alten Kumpels in der Kneipe traf, dann konnte er plötzlich gehen wie ein junger Gott. Und Dereks Mutter, die hatte sich in der Fabrik im wahrsten Sinne des Wortes totgeschuftet.
    Derek Linford hatte es nicht trotz, sondern gerade wegen seiner Herkunft zu etwas gebracht. Er hatte sich hochgeboxt, um es seinem Vater zu zeigen und um seine Mutter zu beruhigen. Der Alte – der eigentlich noch gar nicht so alt war: achtundfünfzig – wohnte in einer Sozialwohnung, genau genommen in einem Reihenhaus. Wenn Linford mit dem Wagen dort vorbeikam, fuhr er ganz langsam. War ihm egal, ob ihn jemand sah. Manchmal winkte einer der Nachbarn, weil ihm der junge Mann in dem Auto irgendwie bekannt vorkam. Ob die Leute seinem Vater wohl davon erzählten? Ich hab kürzlich Derek hier vorbeifahren sehen. Dann seid ihr also noch in Kontakt…? Allerdings hätte er nur zu gerne gewusst, wie sein Vater auf solche Fragen reagierte: mit einem Grunzen wahrscheinlich. Dann würde er wohl weiter den Sportteil lesen oder das Kreuzworträtsel malträtieren. Als Derek noch zur Schule gegangen war, ein Musterschüler übrigens, da hatte ihn sein Vater beim Kreuzworträtsellösen manchmal nach einem Wort gefragt. Dann hatte der Junge sich den Kopf zermartert und natürlich was Falsches gesagt… Bis er dahinter gekommen war, dass der Alte ihn absichtlich hereinlegte und falsche Angaben machte. Zum Beispiel: Fluss mit fünf Buchstaben und einem »e« am Ende. Antwort: Seine. Nein: Themse. Nur hatte das Wort leider sechs Buchstaben.
    Dereks Mutter war nicht in diesem Krankenhaus gestorben. Sie hatte seine Hand gehalten und keuchend geatmet. Sprechen konnte sie nicht mehr, aber ihre Augen sagten ihm, dass es ihr nicht Leid tat zu sterben. Aufgebraucht wie eine schlecht gewartete alte Maschine. Der Alte hatte mit einem Blumenstrauß im Arm am Fußende des Bettes gestanden: Nelken aus Nachbars Garten. Und dann hatte er noch aus der Bibliothek Bücher mitgebracht – Bücher, die sie nicht mehr lesen konnte.
    War es unter diesen Umständen ein Wunder, dass er Krankenhäuser nicht ausstehen konnte? In den ersten Jahren bei der Polizei hatte er nämlich gezwungenermaßen viele Stunden in solchen Häusern zugebracht, darauf gewartet, dass Verbrechensopfer oder auch Gewalttäter behandelt wurden, dass Patienten oder Ärzte seine Fragen beantworteten. Blut und Verbände, angeschwollene Gesichter, gebrochene Arme oder Beine. Einmal war er dabei gewesen, als ein Ohr wieder angenäht wurde, ein andermal hatte er

Weitere Kostenlose Bücher