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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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getöteten kubanischen Revolutionär Ernesto «Che» Guevara und dem chinesischen KP-Chef, Mao Tse-tung, der vom Ostblock geförderte palästinensische Guerillafüh-rer Jasir Arafat, der einen ebenso blutigen wie erbitterten Untergrundkrieg gegen das vom Westen unterstützte Israel führte. Der kubanische Revolutionär Che Guevara beeinflußte schließlich nicht nur zahlreiche marxistische Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt - so etwa die peruanische Gruppe Senden Luminoso, die Tüpac Amaru in Uruguay oder die Sandinisten in Nicaragua -, sondern sein Baskenmützen-Porträt war bei Studenten im Westen ebenso zu finden wie auf Demonstrationen in amerikanischen und europäischen Großstädten. Auch das 1973 von Andy Warhol gestaltete Pop-Art-Konterfei Mao Tse-tungs fand im Westen weite Verbreitung, wenn auch nicht in dem Ausmaß wie Maos Worte des Vorsitzenden, die «Mao-Bibel». Im renommierten bundesdeutschen Rowohlt-Verlag erschien 1966 Maos Theorie des Guerrillakrieges sogar als Taschenbuch und ironischerweise mit einem Vorwort des konservativen Publizisten Sebastian Haffner. Und nicht zuletzt blieb das «Arafat-Tuch» eine Insignie des demonstrativ gezeigten Protests im Westen und konnte sogar den Kalten Krieg überdauern.
    In der Bundesrepublik nahm die «Neue Linke», die sich hier «Außerparlamentarische Opposition» (APO) nannte, auch andere provokative Themen demonstrativ auf. Für manche war es bereits eine politische Zumutung, daß der «Studentenführer» in Westberlin, Rudi Dutschke, ausgerechnet aus der DDR kam. Auch daß man nun in Westberlin, das nur mit Hilfe der USA zwei von den Sowjets ausgelöste Krisen überstanden hatte, amerikanische Truppenparaden störte, hielten viele Bundesdeutsche für eine unerträgliche Herausforderung. Nicht zuletzt war die Begeisterung für den Kampf der Palästinenser gegen Israel vor dem Hintergrund der jüngsten deutschen Geschichte ein massiver Tabubruch. Weitere spezifisch bundesdeutsche Themen waren die Mängel in der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit, der fehlende Reformwille der Parteien, die autoritären Strukturen des Staates und die als unzureichend kritisierten politischen Partizipationsmöglichkeiten. Darüber hinaus stand in der Bundesrepublik vor allem der Protest gegen die 1968 zur Verabschiedung anstehende Notstandsgesetzgebung auf der Agenda.
    Die Notstandsgesetze waren besonders eng mit der Frühzeit des Kalten Krieges verknüpft. Als alliiertes Vorbehaltsrecht für den Fall eines inneren und äußeren Notstands sollten sie unter anderem den Einsatz der Bundeswehr im Innern legitimieren, falls es zur «Bekämpfüng organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer» (Art. 87 GG) notwendig sei. Vorgesehen waren zudem gravierende Einschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses. Die Diskussion um die Neugestaltung hatte bezeichnenderweise bereits zehn Jahre zuvor zu jenem Zeitpunkt eingesetzt, als auch die großen Demonstrationen gegen die Atombe-waffnung stattfanden. Mit den Notstandsgesetzen solle der Kalte Krieg zum Alltag gemacht werden; man beginne aus lauter Angst bereits vor dem militärischen Konflikt, «den Frieden ganz abzuschaffen», monierte etwa der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger 1966 auf dem Frankfurter Kongreß «Notstand der Demokratie». 63 Unter den außenpolitischen Themen war es insbesondere die Forderung nach dem Austritt aus den Bündnissen, die als Provokation empfunden wurde. «Zerschlagt die NATO», war eine der radikalen Forderungen, die Anfang 1968 während der in Westberlin stattfindenden «Vietnam-Konferenz» gestellt wurden. 64 Erstaunlich für Beobachter war auch hier, daß sich die Kritik im wesentlichen gegen den Westen richtete, während der Ostblock nicht nur weitgehend ausgespart, sondern teilweise sogar als positives Gegenbeispiel präsentiert wurde. Noch bemerkenswerter war, daß dies mit der Übernahme amerikanischer Protestformen wie des Sit In, Go In oder Teach In einhergehen konnte, ohne daß das eine mit dem anderen zu irgendeinem Zeitpunkt zu kollidieren schien. Unvergessen blieb in den USA der rabiate Auftritt des westdeutschen SDS-Funktionärs Karl-Dietrich Wolff vor dem US-Senat 1969, der seinen Höhepunkt in dem verbalen Angriff gegen einen der bekanntesten Hardliner des Kalten Krieges, den Republikaner Strom Thurmond, mit dem Satz «Sie sind ein Bandit» fand. 65 Nicht zuletzt zielten auch die radikalsten Gruppen der Protestbewegung immer wieder auf US-Einrichtungen.

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