Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
Vom Netzwerk:
beteiligte Physiker Andrej Sacharow, der 1968 durch sein Memorandum Gedanken über den Fortschritt, die friedliche Koexistenz und geistige Freiheit in Ungnade fiel. 69 Zwei Jahre später gründete er sein «Komitee für Menschenrechte», das Mitte der siebziger Jahre durch die KSZE-Schlußakte dann eine unverhofft große Bedeutung erhielt. Auch ihm wurde die Annahme seines Nobelpreises, der ihm 1975 zuerkannt worden war, von den sowjetischen Behörden untersagt, er selbst wegen seiner politischen Aktivitäten zwischen 1980 und 1986 nach Gorlci verbannt. Erst unter Gorbatschow konnte er rehabilitiert werden.
    In den sowjetischen Satellitenstaaten handelte man ähnlich. In der Tschechoslowakei wurde nach den Verhaftungswellen in den späten vierziger und den fünfziger Jahren vor allem die Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 zum Startschuß für die Verfolgung von «Revisionisten». In deren Verlauf wurden rund 200 000 Personen allein aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen. Zu ihnen gehörten Reformkommunisten wie Alexander Dubcek und Väclav Havel, die als «Feinde des Sozialismus» politisch kaltgestellt und inhaftiert wurden. In der DDR wurde der Berliner Chemiker Robert Havemann ein prominentes Opfer der Verfolgung. Havemann kam ursprünglich aus dem linkssozialistischen Widerstand gegen den NS-Staat und war im Juli 1945 von der Roten Armee aus der Todeszelle befreit worden. Von der SMAD zum Präsidenten der renommierten Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft ernannt, war Havemann als Leiter wissenschaftlicher Institute für die Sowjets, dann parallel auch für die Amerikaner tätig geworden. Wegen Kritik an der US-Politilc und Geheimnisverrat entlassen, siedelte er 1950 endgültig aus Westberlin in die DDR über und wurde dort seit den sechziger Jahren zum bekanntesten Dissidenten. 70 Er galt den DDR-Behörden immerhin als so gefährlich, daß man ihn seit 1976 unter Hausarrest hielt und erst 1991 juristisch rehabilitierte. Noch rigoroser ging man in Polen vor, wo nach der Verhängung des Kriegsrechts 1981 und dem Verbot der freien Gewerkschaft Solidarnosc Tausende zum Teil langfristig interniert wurden. Wie scharf das Freund-Feind-Schema im Ostblock gehandhabt wurde, zeigte sich nicht zuletzt innerhalb der Verfolgungsbehörden selbst. Mit «Verrätern» aus den eigenen Reihen gingen die verschiedenen Ministerien für Staatssicherheit zu keiner Zeit zimperlich um. Schon bis 1961 wurden von den 400 nach Westen geflohenen Mitarbeitern des ostdeutschen MfS 108 wieder zurückgeholt, sieben zur Abschreckung hingerichtet. 71 Dieses Vorgehen galt im Zweifelsfall auch für Sportler, deren Wechsel in den Westen noch in den achtziger Jahren als «Verrat» verstanden wurde, wie das Beispiel des DDR-Fußballers Lutz Eigendorf 1983 zeigte.
    Im Westen erlebte die Jagd auf angebliche Parteigänger des Ostens in den fünfziger Jahren ihren Höhepunkt. Für die antikommunistische Hysterie, die sich unter anderem auch in bizarren Spielfilmen und einer in der amerikanischen Bevölkerung zeitweilig weit verbreiteten Sorge um eine Invasion aus dem All widerspiegelte, 72 stand in den USA zunächst vor allem der Name des republikanischen Senators Joseph McCarthy. Der McCarthyis-mus in der US-Gesellschaft zwischen 1947 und 1954 fußte vor allem auf der These, daß ein falsch verstandener Liberalismus die kommunistische Unterwanderung des Westens im Kalten Krieg erst möglich gemacht habe. Kommunisten und Liberale im eigenen Lager seien für außenpolitische Niederlagen, wie den «Verlust» Chinas und Osteuropas, verantwortlich. Der McCarthyismus konnte auf eine lange Tradition zurückgreifen. Bezeichnenderweise war seine Vorgeschichte im 20. Jahrhundert vor allem mit den großen außenpolitischen Bedrohungssituationen verbunden gewesen. Nach dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg war es das berüchtigte Committee on Public Information gewesen, das innenpolitische Mobilisierung mit starkem Druck auf vermeintliche Abweichler verband. Die 1917/18 verabschiedeten Spionage-und Aufruhrgesetze machten bereits die - auch willkürliche -Verfolgung fast jeder Art von «Zersetzung» und «Verrat» möglich. Neben Deutsch-Amerikanern, die zu dieser Zeit fast grundsätzlich als Spione verdächtigt wurden, waren es auch damals vor allem Linke, gleich, welcher ethnischen Zugehörigkeit, die massiver Verfolgung ausgesetzt waren und zum Teil zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden. Ähnlichen psychologischen Bedingungen entsprang die Verfolgung

Weitere Kostenlose Bücher