Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
Vom Netzwerk:
«unamerikanischer» Tendenzen in den dreißiger und vierziger Jahren. Schon vor dem Eintritt in den Zweiten Weltkrieg hatte die Bundespolizei FBI über zehn Millionen Namen von Personen gesammelt, die im Falle eines Konflikts als potentielles Sicherheitsrisiko eingeschätzt wurden. Auch die Landesverratsbestimmungen des sogenannten Smith Act wurden bis 1945 weit häufiger gegen «Kommunisten» oder «kommunistische Bestrebungen» als etwa gegen Sympathisanten der Achsenmächte eingesetzt. 73 Tatsächlich stammte sogar das spätere Hauptinstrument McCarthys, das House Committee on Un-American Activities (HUAC), bereits aus dem Jahr 1938.
    Angesichts dieser Vorgeschichte war es kein Zufall, daß die öffentlichen Anhörungen, die die Freunde von den Feinden unterscheidbar machen sollten, in den USA bereits unmittelbar im
    Konstituierungsjahr des Kalten Krieges 1947 begannen. Bezeichnenderweise wurde gleichzeitig ein umfassendes Programm zur Überprüfung der Loyalität von Staatsangestellten aus der Taufe gehoben, das etwa drei Millionen Menschen betraf und für über 3000 mit der Entlassung aus dem Beruf endete. McCarthy selbst heizte die Stimmung kontinuierlich mit weiteren Beschuldigungen und Verschwörungsvorwürfen an, so mit der im Februar 1950 verbreiteten Behauptung, er wisse, daß genau 205 Kommunisten im US-Außenministerium tätig seien. Spektakuläre Fälle wie der des linksliberalen Beamten im amerikanischen Außenministerium, Alger Hiss, waren zwar selten, förderten aber ebenso wie die entdeckten tatsächlichen Spionagefälle die wachsende antiliberale Stimmung. Nachgewiesen werden konnte Hiss nichts, statt dessen wurde er 1950 wegen Meineids zu 44 Monaten Haft verurteilt. Der republikanische Abgeordnete Richard Nixon, der durch die Befragung von Hiss bekannt geworden war, konnte auf dieser Welle zum Vizepräsidenten Eisenhowers aufsteigen. Die «Hexenjagd» betraf zunehmend auch Bibliothekare, Lehrer und Wissenschaftler, dann auch Künstler und Schauspieler. Neben unliebsamen politischen Werken wurden sozialkritische Arbeiten und schließlich auch politisch völlig harmlose Werke als «unamerikanisch» entlarvt, aus den Büchereien entfernt und teilweise sogar öffentlich verbrannt. Einer der bekanntesten Wissenschaftler, der in die Mühlen des HUAC geriet, war der Atomphysiker J. Robert Oppenheimer, der aus seinen zeitweiligen Sympathien für die Linke niemals einen großen Hehl gemacht hatte. Genausowenig hielt er sich mit seiner Kritik an der Wasserstoffbombe zurück, jetzt, im «Bürgerkrieg der Wissenschaftler», wie Robert Jungk es schon damals nannte, 74 wurde er mit tatkräftiger Hilfe seines Rivalen Edward Teller und trotz nachgewiesener Loyalität als Sicherheitsrisiko aus den staatlichen Funktionen verdrängt. Erst 1963 rehabilitierte ihn US-Präsident Kennedy. Unter den Schauspielergrößen aus dem McCarthy besonders verdächtigen Hollywood war es unter anderem Charlie Chaplin, der 1952 vom HUAC verwarnt wurde. Der aus Großbritannien stammende Chaplin zog es angesichts der unverhüllten Drohung, ihn vor Gericht zu stellen, vor, von einer Europareise nicht in die USA zurückzukehren. Seit 1953 lebte er in der Schweiz und besuchte erst 1972 wieder die USA. Sein 1956/57 in Großbritannien gedrehter Film
    A King in New York, in dem ein in die Vereinigten Staaten emigrierter Monarch als Kommunist verdächtigt wird, wurde zu einer autobiographischen Abrechnung mit dem Amerika der McCarthy-Zeit. Aber auch der entgegengesetzte Weg war möglich. Der damalige Filmdarsteller und spätere US-Präsident Ronald Reagan wurde in diesen Jahren als Chef einer Schauspielervereinigung zum Informanten für das FBI.
    McCarthy war nur ein, wenn auch zentrales Aushängeschild der antikommunistischen Stimmung des Kalten Krieges in den USA. Wie umfassend sie die US-Gesellschaft erfaßte, zeigte die 1951 verkündete Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in dem berühmten Revisionsverfahren Dennis vs. United States. In ihm befanden die Obersten Richter, daß die Verfolgung von Kommunisten nicht gegen die Verfassung verstoße, da es dem Staat nicht zugemutet werden könne, auf einen Umsturz zu warten. Der Antikommunismus und allgemein die Furcht vor der Sowjetunion hatten schließlich eine so starke Eigendynamik entwickelt, daß selbst Eisenhower es als Präsident zunächst nicht wagte, gegen McCarthy vorzugehen. Erst als dieser ein Jahr später die US-Armee angriff, jene Institution, der die amerikanische

Weitere Kostenlose Bücher