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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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eine Aufstellung der grundsätzlich für den Export nach Osteuropa und die Sowjetunion verbotenen Rüstungsgüter. Liste IB enthielt Materialien, die indirekt für die Rüstung verwendbar waren, deren Export nach Osteuropa aber nicht vollständig verhindert werden konnte. 1952 wurde das Embargo auch auf China ausgedehnt. Beide Listen wurden ständig erweitert und aktualisiert, Verbündete zum politischen Einlenken gebracht. Insbesondere die Erste Berlinkrise 1948/49 lieferte dafür erhebliche Argumentationshilfen. Dennoch akzeptierten 1948 zum Beispiel die Briten nur 110 Positionen der damals 163 Punkte umfassenden I A-Liste. Als ein besonderes Problem erwies sich später die Bundesrepublik, die die wirtschaftlichen Kontakte mit der DDR als eine Art Binnenhandel betrachtete und sich daher ebenfalls nur in Teilen an die Restriktionen hielt. Strategisch nutzbare Güter allerdings wollte man auch in Bonn ausschließen. Die RGW-Staaten hatten ihre entsprechenden Restriktionen. Doch insgesamt stieg der Warenwert im Ost-West-Handel schon bis 1954 auf 91,5 und 1955 sogar auf 113,8 Millionen Dollar. 6
    Zwischen den Westeuropäern und den Amerikanern kam es aufgrund der Auslegung von Embargovorschriften regelmäßig zu diplomatischen Zusammenstößen. Eine der schwersten Bündniskrisen entwickelte sich nach Reagans Amtsantritt, als die Westeuropäer gegen amerikanischen Widerstand versuchten, mit der Sowjetunion ein großangelegtes Kompensationsgeschäft durchzuführen. Dabei sollten sowjetische Erdgaslieferungen gegen in Westeuropa gefertigte Gasleitungen getauscht werden. Nach US-Interpretation lag in dem dann heiß diskutierten «Röhrengeschäft» ein unerwünschter Zugang der UdSSR zu westlicher Technologie. Anders als 1962, als die Regierung Adenauer sich einem Röhrenembargo der NATO gebeugt hatte, obwohl Italiener und Briten es zum gleichen Zeitpunkt schon fast prinzipiell mißachteten, kam dieses Geschäft tatsächlich zustande. Der westdeutsche ARD-Korrespondent in Moskau, Klaus Bednarz, wunderte sich schon 1980, daß sich trotz des durch die US-Regierung Carter verkündeten Wirtschaftsboykotts gegen die UdSSR nach dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan, deutsche Industrielle bei offiziellen Institutionen die Klinke in die Hand gaben. 7 Hier sah man den Krupp-Chef Berthold Beitz ebenso wie den BP-Chef Hellmuth Buddenberg oder den Leiter der Deutschen Bank in Moskau, Friedrich Wilhelm Christians. Bis Ende 1983 gelang es den USA dann aber doch, die westeuropäische Zusammenarbeit mit den Sowjets weitgehend zu kappen. Von 35 im Jahre 1979 bestehenden Kooperationsverträgen blieben danach nur noch sieben in Kraft. 8
    Langfristig gesehen zeichnete sich schon in den frühen Jahren des Kalten Krieges ein Mechanismus ab, der einige Schlüsse auf die Endphase des Kalten Krieges ermöglicht. Die enormen Herausforderungen, die der Wettlauf zum Mond bereithielt, verursachten für die Wirtschaft der USA ebenso wie für die UdSSR riesige Belastungen. Dennoch konnte die kapitalistische Wirtschaft damit, zumindest im Rückblick betrachtet, produktiver umgehen. Was für die Planwirtschaft eine dramatische und schließlich untragbare Belastung wurde und Restriktionen in anderen Bereichen erforderte, erwies sich für die Marktwirtschaft eher als produktive Herausforderung. Die rasante Entwicklung in der Computertechnik, in der der Ostblock nur mit Hilfe teils legaler, vor allem aber illegaler Importe und Kopien westlicher Modelle mithalten konnte, war dafür ein beredtes Beispiel. Legal konnten bereits seit 1959 verschiedene Computer der britischen Firma Elliott, einer Tochter des US-Elektronikriesen General Electric, in die Sowjetunion geliefert werden. Ebenfalls über Großbritannien konnte 1967 Mikrochiptechnik bezogen werden. Illegal eingeführte IBM-Rechner waren die Grundlage für die seit 1968 produzierten und speziell für militärische Zwecke eingesetzten ESEWM- und RYAD-Systeme. Selbst der erste sowjetische Personalcomputer 1983, der AGATHA, war ein Nachbau eines amerikanischen APPLE-Rechners. Wesentliche Kapazitäten der Geheimdienste im Ostblock wurden schließlich für diese Beschaffungen eingesetzt. Trotzdem blieben die Probleme der Öffentlichkeit nicht verborgen. Die Produktion eines eigenen Walkman in der DDR gelang zwar. Er war beschlossen worden, um der Jugend etwas zu bieten, wie Günther Kleiber, der in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre als ständiger Vertreter der DDR im RGW saß, generös vermerkte. 9

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