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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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US-Vertreter, unter anderem aus der CIA, trafen sich nun mit den Vertretern des Vatikan, so mit dem Washingtoner Erzbischof Pio Laghi. Reagan selbst hielt die Involvierung des Katholizismus in die Destabilisierungspolitik gegenüber dem Ostblock für so entscheidend, daß er auch gegenüber der amerikanischen Öffentlichkeit immer wieder die Übereinstimmung zwischen Vatikan und US-Regierung unterstrich. Die Gegenmaßnahmen der Sowjets, so ihre Versuche, die Verbindungen zwischen Vatikan und polnischer Oppositionsbewegung systematisch zu diskreditieren, hatten dagegen keinen Erfolg.
    Der Aufstieg des politischen Islam, insbesondere in seiner radikalen Ausprägung, des Islamismus, stellt wohl eine der bemerkenswertesten Entwicklungen dar, die die Bedeutung der Religionen im Kalten Krieg belegen. Zwar trat das öffentliche Interesse am Thema erst mit den dramatischen Anschlägen auf das World Trade Center in New York im September 2001 zutage, doch die Karriere des Islamismus als zunächst antiwestliche, dann auch antisowjetische Weltanschauung begann weit vor dem Kalten Krieg. Auch er nutzte die Fronten des globalen Konflikts relativ rasch für seine Ziele. Seine Anfänge werden allgemein in Ägypten gesehen, wo 1926 eine «Muslimbrüderschaft» gegründet wurde, die vor allem die Gegnerschaft gegen die Kolonialmächte einte. Der moderne Islamismus begann so als eine «Revolte gegen den Westen». 81 Seine Bedeutung im Kalten Krieg wuchs vor allem mit dem Algerienkrieg zwischen 1956 und 1962, in dem er eine gewisse Rolle als Mobilisierungsideologie spielen konnte. Tatsächlich kämpften in der antikolonialen Aufstandsbewegung, der Nationalen Befreiungsarmee (ALN), Mudschaheddin und Fedajin, die den Krieg gegen die Franzosen als «Heiligen Krieg», als Dschihad, führten. Die Franzosen stellten sich ohnehin auf den Standpunkt, daß ihr Kolonialkrieg ein Teil des globalen Konflikts mit dem Kommunismus sei. Der Islamismus habe sich mit dem Kommunismus gegen den Westen verbunden.
    Langfristig gesehen aber erreichte der Islamismus erst mit der Niederlage der arabischen Staaten gegen Israel im Sechstagekrieg 1967 seine politische Bedeutung. Warum er ausgerechnet mit diesen Kämpfen seinen eigentlichen Auftrieb erhielt, ist nur erklärbar, wenn man sich vor Augen führt, daß Nassers panarabischer, nationaler Sozialismus, der sich ausdrücklich als laizistisch betrachtete, mit der Niederlage Ägyptens gegen Israel als diskreditiert angesehen wurde. Für viele war nun der Islamismus, den Nassers Revolution 1954 systematisch in den Untergrund oder ins Exil verdrängt hatte, deutlich attraktiver. Zwar wurde er staatlicher-seits weiterhin bekämpft. Daß er trotzdem in der ägyptischen Gesellschaft verankert blieb, machte 1981 das Attentat auf Nassers Nachfolger, Anwar el-Sadat, öffentlich sichtbar. Die Verhandlung vor dem Obersten Kriegsgericht zeigte ohne Zweifel, daß Sadat wegen seiner Annäherung an Israel zum Opfer einer großangelegten islamistischen Verschwörung geworden war. 82 Die geschichtliche Ironie bestand nicht zuletzt darin, daß es Sadat gewesen war, der emigrierte Mitglieder der von Nasser verbotenen Muslimbrüderschaft nach Ägypten zurückgeholt hatte, um mit ihnen gemeinsam die aktuelle Staatskrise zu lösen. Ägypten blieb auch danach eine der ersten Adressen für den radikalen Islamismus im Kalten Krieg. Bezeichnenderweise stammte mit Mohammed Atta auch einer der führenden Köpfe des Anschlags auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 aus Ägypten.

8. Wirtschafts- und Sozialpolitik in der Systemkonkurrenz
Technologisch-wirtschaftliche Konkurrenz und Kooperation
    Die technologisch-wirtschaftliche Konkurrenz war eine Prestige-, aber auch eine Überlebensfrage im Kalten Krieg. Dies war insbesondere in der Waffentechnik unübersehbar. Kontinuierlich folgte über Jahrzehnte eine technisch weiterentwickelte Generation von Raketen der nächsten. Sie waren jeweils schneller, präziser, größer, flexibler oder hatten schlicht mehr Zerstörungskraft. Chruschtschows Wort von der Friedlichen Koexistenz, in deren Rahmen sich beide Mächte frei messen sollten, war von amerikanischer Seite unter anderem mit Kennedys berühmter «Strategie des Friedens» beantwortet worden. «Wir sind [...] willens und in der Lage», so der US-Präsident in seiner bezeichnenderweise vor Akademikern gehaltenen öffentlichen Ansprache vom 10.Juni 1963, «mit jedem anderen System auf der Erde in einen friedlichen

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